Auf  Ernst Neumann-Neander passt der Begriff „Universalgenie“ wie nur auf  wenige andere. Er war Künstler, Designer, Kabarettist, Unternehmer,  Rennfahrer und Ingenieur. Mit Opel verbindet ihn das geniale Motorrad  Motoclub. 
Die Opel Motoclub wurde von 1928 bis 1930 gebaut und  war durch ihren innovativen Rahmen aus gepresstem Stahlblech einmalig.  Mit dieser Technologie, entwickelt von Neumann-Neander, gelang es, die  Montagezeit eines Motorrades von 15 bis 25 Stunden auf rund vier Stunden  zu senken. So konnte Opel sein Produkt zu einem attraktiven Preis  etablieren und damit individuelle Mobilität für viele erschwinglicher  anbieten.
Der Motoclub-Konstrukteur wurde vor 150 Jahren, am 3.  September 1871, als Ernst Neumann in Kassel geboren. Als 19-Jähriger  fährt er erfolgreich Hochrad-Rennen. Erste berufliche Stationen sind  Tätigkeiten als Karikaturist und Illustrator. Neben seinen vom  Jugendstil geprägten künstlerischen Aktivitäten, zu denen 1901/1902 auch  Auftritte als Kabarettist mit dem Münchener Ensemble „Die 11  Scharfrichter“ gehören, begleitet ihn stets die Passion für  Geschwindigkeit und Technik. Die am Ende des 19. Jahrhunderts  aufblühende Motorisierung fasziniert ihn seit der Kindheit. Ein erster  Motorrad-Eigenbau entsteht 1904. Mit ihm bestreitet er zahlreiche Berg-  und Langstreckenrennen, etwa Paris–Rom–Paris.
1908 gründet er in  Berlin die Werbeagentur „Ateliers Ernst Neumann für Moderne Reklame“, zu  deren Kunden namhafte Industrieunternehmen gehören. Kurz darauf  erweitert er sein Schaffen um den Bereich Karosseriedesign. Bis in die  1920er Jahre hinein entwirft er Formen für die Karosseriebauer Kellner,  Papler, Schebera, Szawe und die hessische Firma Kruck, die eng mit Opel  zusammenarbeitet.
Nach dem Ersten Weltkrieg legt sich Neumann den  Künstlernamen „Neumann-Neander“ (Neander = „Der neue Mann“ im  Altgriechischen) zu. Den Schwerpunkt seiner Arbeit stellen ab sofort  Konstruktion und Herstellung von Motorrädern unter dem Namen „Neander“  dar. Neben elegantem Design kennzeichnen Leichtbau, Fahrkomfort und  unkonventionelle technische Lösungen seinen Stil. 1924 erhält N2 – so  jetzt sein Spitzname – beim Erfinderwettbewerb in Stuttgart den ersten  Preis „aller Kategorien für die wertvollsten Verbesserungen des  Motorrads“. In dieser Zeit ist er auch Gast auf der Rüsselsheimer  Opel-Rennbahn, wo der junge Fritz von Opel Hausherr ist. Der Enkel von  Firmengründer Adam Opel und Neumann-Neander verständigen sich im  September 1928 auf eine Exklusivlizenz: Das erfolgreiche  Neander-Stahlpressmodell soll ab sofort auch als Opel produziert und  vertrieben werden.
Die „bestliegendste Maschine der Welt“  (Neander-Werbung) bekommt von Opel einen eigenen  Fünfhunderter-Einzylindermotor in zwei Leistungsstufen (16 und 22 PS)  verpasst. Die moderne Optik wird durch das Mattsilber des  galvanisierten, unlackierten Metalls bestimmt, kontrastiert durch einen  roten Sattel, rote Anbauteile und sogar rote Reifen. Mit einer großen  Werbekampagne wird das neue Modell unter dem Namen „Motoclub“  eingeführt. Es ist etwa zehn Prozent günstiger als vergleichbare  Neander-Typen, die nach wie vor gebaut werden. Neander fertigt auch  einen Seitenwagen namens „Pionier“, der von Opel für den Gespannbetrieb  empfohlen wird und bei vielen Opel-Händlern erhältlich ist.
Die  Weltwirtschaftskrise 1929 beschert der Firma Neander als auch der Opel  Motoclub im Folgejahr ein jähes Ende. Während Opel in den wirtschaftlich  schwierigen Jahren seinen Status als erfolgreichste deutsche Automarke  festigen kann, zieht sich der mittlerweile 60‑jährige N2 Schritt für  Schritt als Unternehmer zurück. Sein bekanntestes konstruktives Spätwerk  sind die unkonventionellen vierrädrigen „Fahrmaschinen“ aus den Jahren  1934 bis 1939. Diese Leichtbau-Rennwagen stellen eine Mischung aus  Motorrad und Automobil dar und erzielen beachtenswerte Erfolge im  Motorsport.
Neumann-Neander bleibt auch im Alter seiner  Leidenschaft für kreative technische Lösungen treu. Bis 1950 entstehen  etliche ebenso ungewöhnliche wie fortschrittliche Zwei- und Dreiräder –  allerdings nicht mehr in Serie. Ende der 1940er schlägt N2 im hohen  Alter das letzte Kapitel seines abwechslungsreichen Lebens auf und  beginnt wieder mit der Malerei. In fünf Jahren entstehen mehr als  hundert Bilder.
Ernst Neumann-Neander stirbt am 13. November 1954  mit 83 Jahren in Düren. Er hinterlässt ein außergewöhnliches und  vielfältiges Werk. Die Opel Motoclub ist ein kleiner Teil davon. In der  Rüsselsheimer Sammlung von Opel Classic steht auch heute eine  fahrbereite 1928er „Supersport“. Mit diesem außergewöhnlichen Motorrad  bleibt das Universalgenie N2 in steter Erinnerung – gerade an seinem  150. Geburtstag.
Foto: Autoren-Union Mobilität
Die bestliegendste Maschine der Welt
... ist noch immer die N2
Veröffentlicht am: 13.08.2021
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