
Das  Kunstmuseum Bayreuth zeigt jährlich in der Ausstellungshalle im Neuen  Rathaus eine Ausstellung, die sich dem Thema „Kunst und Raum“ widmet.  Der Begriff „Raum“ bezieht sich dabei nicht nur auf den umbauten Raum. 
Es  geht auch um Räumlichkeit im Vergleich zur Fläche des Bildes, um Raum  im Sinne der Konkreten Kunst oder in der Nachfolge Platons und auch um  Raum, der durch Klang entsteht. Das Thema der aktuellen Ausstellung von  Susanne Kessler ist die See, die auf der Erdoberfläche viel Raum  einnimmt, weil sie alles Land umspült und viele Kilometer tief ist. Aus  der Sicht der Landbewohner führt sie aber eher eine Randexistenz.
Der  Titel dieser Ausstellung geht auf eine Zeile aus dem Hymnus „Andenken“  von Friedrich Hölderlin zurück, in der dieser das Meer und die Seefahrer  besingt und mit der unwägbaren Existenz von Künstlern vergleicht. Das  Andenken – das „Gedächtnis“, wie Hölderlin es formulierte und wie es in  den Titel der Ausstellung einging, – gilt bei Susanne Kessler dem Ozean  selbst.
Einige ihrer Bilder und Objekte erinnern an Bilder der  Erde, wie sie vom Weltraum aus gesehen werden kann. Immer neue  Wahrnehmungen tun sich da auf. Darauf reagiert auch die Gestaltung der  Ausstellung. Im rechten Winkel an den Wänden befestigte Bildwerke ragen  in den Raum hinein, und Objekte sind im Raum frei platziert. Man kann um  sie herumgehen und durch sie hindurchschauen. So ergeben sich in der  Zusammenschau immer wieder neue Perspektiven, die deutlich machen, dass  alle Teilperspektiven nur Aspekte eines Ganzen sind.
Susanne  Kessler wurde 1955 in Wuppertal geboren. Sie studierte1975–1983 an der  Hochschule der Künste, Berlin und am Royal College of Art, in London und  erhielt verschiedene Stipendien und Preise, darunter 1982–1983 die  DAAD, RCA Exchange Scholarship in London, 1992 den Paul-Strecker-Preis  in Mainz, 1995 das Kaiserringstipendium in Goslar, 2020 das  Europastipendium des Berliner Senates und 2022 den Von der  Heydt-Kulturpreis der Stadt Wuppertal. Ihr Werk war in zahlreichen  Ausstellungen zu sehen. Sie lebt in Berlin und Rom.
Für ihre  kartographischen Linienwerke verwendet Susanne Kessler lineare  Strukturen, wie sie in Kartenwerken zu finden sind. Manche Linien  verdeutlichen Höhen, Gebirge oder Tiefseegräben, andere Bewegungen:  Meeresströme, Entwicklungen von Stürmen, Wander- oder Reiserouten von  Tieren oder Menschen. Die Linien verlaufen nebeneinander, kreuzen und  überlagern einander und ergeben dabei charakteristische Strukturen, aus  denen die Bewegungen herausgelesen werden können. Würde man sie alle in  einem Bild zusammen zeigen, ergäbe sich ein dichtes Liniennetz,  vielleicht auch ein ungeordnete Linienknäuel. Susanne Kessler nimmt  diesen Aspekt auf, indem sie in ihren Bildern Fadenknäuel und  Kunststoffnetze einsetzt.
Linien wurden gezeichnet und gemalt,  genäht und gestickt. Jede Schlinge und jeder Knoten haben hier ihre  Funktion. Alle Linien, alle Fäden sind untereinander verbunden und  bilden eine tragende, funktionale und sinnvolle Einheit. So entsteht ein  ästhetisches Netzwerk aus Fäden, Bildern und Assoziationen.
Die  kartographischen Linien lassen eine vielgestaltige Welt erfahrbar  werden, in der alles miteinander verbunden ist und nichts für sich  allein bestehen kann. Eine ästhetische Fragilität geht von den Bildern  und Objekten Susanne Kesslers aus, die die Fragilität des Ökosystems  Erde assoziieren lässt.
Die Ausstellung wird begleitet durch eine Katalogbroschüre und durch ein umfassendes Vermittlungsprogramm für alle Menschen.
Ausstellungshalle im Neuen Rathaus
Luitpoldplatz 13
Montag bis Donnerstag 9 bis 17 Uhr, Freitag 9 bis 15 Uhr
Informationen unter Telefon 0921/7645310
www.kunstmuseum-bayreuth.de
Bild: Meeresräume – Gezeitenverschiebung, 2022, recycelte Plastikmaterialien, Draht, Papier auf Holz, Ø 80 cm
Es nehmet aber und gibt Gedächtnis die See (Hölderlin)
Kartographische Linienwerke von Susanne Kessler
Veröffentlicht am: 09.01.2023
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