Startseite  

18.06.2025

 

 

Like uns auf Facebook

Folge uns auf Twitter

 


 

Werbung


Vorherigen Artikel lesen Nächsten Artikel lesen

 

Mit offenem Blick

Der Impressionist Pissarro



Camille Pissarro gilt als Gründungsfigur der impressionistischen Bewegung in Frankreich. Dabei lagen seine künstlerischen Anfänge in der Karibik und in Südamerika. Diese Wurzeln verbanden sich mit einem malerischen Interesse an ländlichen Alltagsszenen und Sympathien für den Anarchismus. 

Pissarros Motive sind oft schlicht, ihr Ton leise. Erst auf den zweiten Blick offenbart sich der Reiz ihrer aufmerksam beobachteten Details und sorgsam abgestimmten Harmonien, der aus der respektvollen, von Idealismus geprägten Haltung des Künstlers, seiner Offenheit und Experimentierfreude erwächst. Die Themenvielfalt seiner Bilder umfasst Landschaften und Gärten, Familienportraits, Szenen des bäuerlichen Lebens oder urbane Motive wie die Häfen der Normandie oder die belebten Straßen von Paris.

Ausgehend von den sieben Gemälden Pissarros der Sammlung Hasso Plattner gibt Mit offenem Blick. Der Impressionist Pissarro anhand von über 100 Werken aus 50 internationalen Sammlungen einen fundierten Überblick über Pissarros gesamtes Schaffen und zeigt zugleich die sozialutopischen Ideen seiner Kunst. Neben dem Denver Art Museum als Kooperationspartner der Schau konnten zahlreiche renommierte US-Sammlungen als Leihgeber gewonnen werden, darunter das Art Institute of Chicago, das J. Paul Getty Museum, Los Angeles, das Clark Art Institute, Williamstown, das Philadelphia Museum of Art, die National Gallery Washington und das Metropolitan Museum of Art, New York. Zu den weiteren internationalen Leihgebern gehören das Van Gogh Museum, Amsterdam, das Musée d’Orsay, Paris, Ordrupgaard, Kopenhagen, das Szépművészeti Múzeum, Budapest, das Courtauld und die National Gallery, London, sowie die Gallery of Ontario, Toronto.

Mit Camille Pissarro wird ein Außenstehender zur zentralen Figur der Impressionisten. Er, dessen erste Studien unter freiem Himmel in der Karibik und in Venezuela stattfanden, bringt eine von akademischen Normen unabhängige Perspektive in den Kreis der Pariser Künstler, für den er die Rolle eines entscheidenden Vernetzers einnimmt: Er arbeitet mit Claude Monet im Pariser Umland, bringt die Gruppe mit Paul Cézanne zusammen, setzt sich für das Werk von Mary Cassatt ein. Er öffnet sich für die Anliegen der Neo-impressionisten und stellt – anders als Monet und Renoir – auch mit den Jüngeren aus.

Anfänge in der Karibik und Studien in Frankreich

Geboren 1830 in Charlotte Amalie auf den damaligen Dänischen Antillen, verbringt Pissarro seine Kindheit in einem multikulturellen Umfeld. Als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie mit französisch-portugiesischen Wurzeln, der zeitlebens die dänische Staatsbürgerschaft behält, gehört er zur europäischen Minderheit aus Kolonialbeamten und Plantagenbesitzern. Nach Ende seiner schulischen Ausbildung in Frankreich reist Pissarro mit dem dänischen Maler Fritz Melbye zwei Jahre lang durch Venezuela. Eine Vorliebe für Darstellungen ländlicher Natur und einfacher Lebensformen schlägt sich bereits in den frühen, auf dieser Reise entstehenden Werken nieder. 1855 siedelt Camille Pissarro nach Frankreich über. Auf der Suche nach einer neuen, zeitgemäßen Ästhetik schreibt er sich an der privaten Académie Suisse in Paris ein, wo er Gleichgesinnte trifft, darunter Claude Monet und Paul Cézanne. In Pissarros Gemälden aus seinen frühen Pariser Jahren macht sich ein neuartiges Interesse am unmittelbaren Erleben alltäglicher Umwelt bemerkbar. Camille Corot erweist sich als wichtiger Mentor für den jungen Künstler. In den 1860er Jahren arbeitet Pissarro in der Tradition der Schule von Barbizon, malt en plein air im Wald von Fontainebleau.

Mitbegründer des Impressionismus

1870 flieht die Familie (Pissarro war hingebungsvoller Vater von acht Kindern, von denen fünf das Erwachsenenalter erreichten) vor dem Deutsch-Französischen Krieg aus Paris. In London begegnet Pissarro seinem späteren Kunsthändler Paul Durand-Ruel und studiert die Werke von John Constable und William Turner – eine entscheidende Erfahrung auf seiner Suche nach einer einerseits wirklichkeitsnahen, andererseits atmosphärischen Landschaftsmalerei.

Bei der Rückkehr der Familie nach Frankreich erfährt Pissarro von der Zerstörung eines Großteils seiner Werke durch Soldaten. Trotz des Verlustes von über 1.000 Arbeiten und der lediglich vereinzelten Anerkennung durch den Pariser Salon hält Pissarro an seiner künstlerischen Tätigkeit fest. Er schließt sich mit Malerkollegen wie Monet, Renoir und Sisley zusammen und initiiert mit ihnen 1874 die erste Impressionisten-Ausstellung. Bis 1884 folgen sieben weitere Ausstellungen; als einziger ist Pissarro bei allen acht Schauen vertreten, für die er als aktiver Netzwerker eine wichtige Rolle einnimmt, die locker verbundene Gruppe zuammenhält, Kontakte pflegt, neue Teilnehmer vorschlägt. Das Übertragen einer Sinnesempfindung auf die Leinwand, charakteristisch für den Impressionismus, ist für Pissarro nur ein Teil seiner künstlerischen Herangehensweise. Vielmehr verändert und bearbeitet der Künstler seine Landschaftsmotive häufig im Einklang mit seiner sozialen Agenda. Alltägliche Szenen aus Industrievorstädten und der französischen Provinz zeugen von der Sensibilität des Malers für die Umbrüche in der Moderne. Pissarro arbeitet an einem neuen Landschaftsbild und strebt in jedem Gemälde kompositorische Ausgewogenheit und Harmonie an.

Pissarro als Maler gesellschaftlicher Utopien


Auch politisch zielt Pissarro auf eine Gesellschaft der Gleichberechtigung aller Menschen. Er liest Schriften der Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon und Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, diskutiert darüber mit seinen Kindern. In der freien Selbstorganisation der Menschen innerhalb der Gesellschaft sehen sie die Chance auf ein besseres Leben für alle. Eine Schlüsselrolle dabei soll den selbstständig arbeitenden Bauern zukommen, die Pissarro, selbst auf dem Land und nicht in der Metropole Paris lebend, immer wieder abbildet: Würdevoll und mit Respekt, eingebunden in den Rhythmus und Kreislauf der Jahreszeiten, inszeniert er Bäuerinnen und Bauern beim Heumachen, Ernten, Pflanzen und Säen. In diesen Bildern liegt auch eine gesellschaftliche Utopie: der Traum vom selbstbestimmten Leben und der gemeinschaftlichen Arbeit im Einklang mit der Natur. Tatsächlich war der von seiner Frau Julie bewirtschaftete eigene Nutzgarten in Éragny- sur-Epte jahrelang Existenzgrundlage der Familie Pissarro, bis diese von den Gemäldeverkäufen des Künstlers leben konnte.

1885 nimmt Camille Pissarros künstlerische Entwicklung eine neue Wendung, als er den jüngeren Malerkollegen Paul Signac und Georges Seurat begegnet. Begeistert öffnet er sich für die neue, wissenschaftsbasierte Technik des Divisionismus, dessen starres und zeitraubendes System der Farbzerlegung er allerdings nach vier Jahren zugunsten freierer Gestaltungsweisen wieder ablegt.

Erst spät in seinem Schaffen widmet sich Pissarro dem Thema der Stadtlandschaft. In mehreren Serien hält er das geschäftige Treiben an den Häfen von Rouen, Dieppe und Le Havre in der Normandie fest und wendet sich ebenso der Metropole Paris zu.
Die Straßen, Plätze und Brücken in seinen insgesamt 125 Ansichten der Hauptstadt bilden eine Projektionsfläche für alles Atmosphärische – bevölkert, gestaltet, belebt von unzähligen Menschen, der aktiven Kraft, die Pissarro Zeit seines Lebens mit seinem leisen, zurückgenommenen Humanismus dokumentierte.

Die Einzigartigkeit in Pissarros Schaffen

Lange wurde Camille Pissarro unter den Impressionisten weit weniger Beachtung zuteil als anderen Künstlern des Kreises.
Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini: „Camille Pissarro war für viele der impressionistischen Künstler wie eine Vaterfigur, sein eigenes Schaffen wurde aber erst in der jüngeren Vergangenheit ausgiebiger betrachtet und gewürdigt. Ausstellungen wie in Williamstown und San Francisco, in Ordrupgaard bei Kopenhagen, in Basel und Oxford rückten Pissarro in den letzten Jahren stärker in den Fokus. Die Retrospektive in Potsdam und Denver baut auf diesen wichtigen Stationen der Pissarro-Forschung auf. Mit den sieben Werken Pissarros in der Sammlung Hasso Plattner als Ausgangspunkt und ermöglicht durch die großartige Zusammenarbeit mit dem Denver Art Museum zeigen wir, wie Pissarros Impressionismus zwar eng mit der Gruppe verbunden, aber gleichzeitig einzigartig ist.“

„Vor allem Pissarros Landschaftsauffassung ist ein Alleinstellungsmerkmal unter den Impressionisten“, erklärt auch Nerina Santorius, Kuratorin der Ausstellung und Sammlungsleiterin am Museum Barberini. „Während Kollegen wie Monet oder Renoir Stadt und Land meist als Freizeitraum des Bürgertums darstellen, richtet Pissarro den Blick darauf, wie die einfache Bevölkerung unterschiedliche Alltagslandschaften gestaltet und prägt: durch das Leben und Arbeiten des Einzelnen im Einklang mit der Natur ebenso wie durch die Bewegung der Menschenströme in den großen Städten. Er zeigt, wie seine Frau Julie den Garten kultiviert, eine erfahrene Bäuerin auch mit nassem Holz ein Feuer anzündet oder auf einem Pariser Boulevard Kutschen im Feierabendstau stecken. Den kleinen Dingen des Alltags Schönheit abzugewinnen, war für Pissarro ein zentrales Anliegen seiner künstlerischen Arbeit.“

Die Ausstellung ist die zweite Kooperation zwischen dem Museum Barberini und dem Denver Art Museum, wo die Schau vom 26. Oktober 2025 bis zum 8. Februar 2026 gezeigt wird. 2020 zeigten die Häuser die große Retrospektive Monet. Orte, die zahlreiche Schlüsselwerke aus sämtlichen Schaffensphasen Claude Monets zusammenbrachte und erstmals den Werdegang des Künstlers hinsichtlich seiner Ortswahl und seines Ortsbewusstseins in den Blick nahm. Mit offenem Blick. Der Impressionist Pissarro betont nun die tiefe Humanität, mit der Pissarros Werke die Gegenwart in all ihren unscheinbaren Aspekten würdigen, und lädt dazu ein, sein Werk mit derselben genauen Beobachtungsgabe zu entdecken, mit der Pissarro seinen unmittelbar erlebten Alltag auf die Leinwand brachte.

Foto: © David von Becker

 


Veröffentlicht am: 17.06.2025

AusdruckenArtikel drucken

LesenzeichenLesezeichen speichern

FeedbackMit uns Kontakt aufnehmen

TwitterFolge uns auf Twitter

FacebookTeile diesen Beitrag auf Facebook

Hoch: Hoch zum Seitenanfang

Nächsten Artikel: lesen

Vorherigen Artikel: lesen

 


Werbung

 


Werbung - für eine gute Sache

 
         
     
     
     

Besuchen Sie auch diese Seiten in unserem Netzwerk
| Börsen-Lexikon - erklärt die Börse
| fotomensch berlin - der Fotograf von genussmaenner.de
| Frauenfinanzseite - alles für die Businessfrau
| Geld & Genuss - Lifestyle, Finanzen und Vorsorge für alle
| geniesserinnen.de - Genuss auch für die Damen
| gentleman today - Edel geht die Welt zu Grunde
| instock der Börseninformationsdienst
| marketingmensch | Agentur für Marketing, Werbung & Internet
| Unter der Lupe bewertet Gutes

 
Service
Impressum
Kontakt
Mediadaten
Newsletter
Datenschutzhinweis
Nutzungshinweise
Presse
Redaktion
RSS 
Sitemap
Suchen

 
Rechtliches
© 2007 - 2025 by genussmaenner.de. Alle Rechte vorbehalten.