Als der Vierzylinder am Münchner Petuelring 1973 eröffnet wurde, war das keineswegs ein Vorgriff aufs Downsizing. 
Am  Münchner Ring standen die vier Zylinder-Türme der Hauptverwaltung von  BMW stattdessen mit moderner, klarer Architektur als dominantes Symbol  für den Anspruch, den die Marke leben wollte. Fast 50 Jahre später wählt  auch BMW kurzlebigere Lebenszeichen, zeigt sich digitaler und  technischer, an einem neuen Anspruch angepasst.
Der  „Vierzylinder“ stand noch nicht lange, als ein Jungredakteur aus  Hannover in München seinen ersten BMW-Testwagen abholte. Der  Vierzylinder des BMW 520 mit Vergaser-Motor passte übrigens nicht so  ganz zu den gehobenen Ansprüchen. Der Vergaser war falsch eingestellt.
Begeisterung trotz ruckelndem Vierzylinder
Die  langsame Nachtfahrt mit einem ruckelnden BMW wirkte sich nicht auf die  Begeisterung des Juniors für die Marke aus. Andere Dinge prägten ihn  mehr, zum Beispiel die Entscheidung für den Mut, der mit dem  Vierzylinder damals sichtbar wurde. Dazu das Corporate Design mit klaren  weißen und farbigen Elementen wie die drei prägenden Farbstreifen in  Rot, Dunkelblau, Hellblaut, das schlichte Logo, das gute Layout aller  Drucksachen, die hohe Wertigkeit unseres Arbeitsmaterials, der  Pressemappen und die erstklassigen Fotos.
Die Motorhaube flattert
Unser  Junior war fasziniert von so viel Konsequenz. 1977, bei der Premiere  des ersten 7er BMW, saß er mit BMW-Boss Eberhard von Kuenheim beim  Mittagessen im Restaurant im Münchner Opernhaus und hatte ihm zwei  Sachen zu sagen: Wie sehr er die Münchner Art des Umgangs mit der  Unternehmenskultur und mit dem Erscheinungsbild bewundere und dass die  Motorhaube flattert.
Drei Faktoren sah unser Junior damals und  heute als Urheber und Gralshüter dieser Qualität und konsequenten  Anwendung des Corporate Designs: von Kuenheim – wie alle Bosse bei  Quandt von Adel –, sein Kommunikationschef Winfried Gaul und die damals  noch Schweizer Agentur namens Interbrand. Ihnen reichte es nicht, ein  wettbewerbsfähiges Auto zu bauen. Sie schufen die passende Welt für  sich, ihre Kunden und die Umwelt – noch vor 40 Jahren oder: Alles schon  einmal dagewesen.
Alte Zeit in neuen Konflikten
Vorbei –  vorbei, nicht nur, weil die handelnden Personen andere sind. Deutschland  ist nicht mehr der Nabel der Autowelt, Internet, 5G, Künstliche  Intelligenz, Blogger, Influencer, die neuen Nerds, ein technisches  Küchenlatein, ganze Agenturen, die ihr digitales Handwerkszeug weltweit  in Stellung bringen sollen, Politik mit Scheuklappen, Grenzwerte zum  Ausgrenzen – das wird auch so manchem Menschen in der Presseabteilung  (m/w/d) nicht glatt runtergehen.
Agentur-Blech ist sicher auch  heute noch nicht BMW-Sprech. Aber manchmal gibt es Texte auf der  Medienseite der Münchner, die lassen erahnen, dass andere Mächte als die  Presseabteilung allein im Spiel waren. Nachzufühlen bei dem Text  „Aufbruch in eine neue Ära: Die BMW Group verzahnt agenturseitig  Unternehmens- und BMW Markenkommunikation noch enger“ vom 22. Februar  2021.
Alte Schule war das nicht – weder inhaltlich und schon gar  nicht sprachlich. Gestern hatte Peter Schwerdtmann sich die Inhalte  vorgenommen. Fazit: Die Medien sollen überrollt werden. Heute nimmt sich  Harald Kaiser die Sprache der Botschaft vor und findet sinnloses  Agenturkauderwelsch. Fazit: Ein Bespiel, wie schnell fremde Kräfte die  Sprache überrollen können.
Harald Kaiser und der alte BMW-Chef  sind öfter auf einander getroffen, in Gespräch und Interview. Es passt  also wenn er dem 93-jährigen heute an dieser Stelle diesen Kommentar in  Form eines offenen Brief schreibt:
„Lieber Eberhard von Kuenheim,
das  wäre unter ihrer straffen Führung nicht passiert. Als Sie noch in Ihrer  Krachledernen durch den Vierzylinder am Münchener Petuelring  stolzierten, da standen nicht nur die Jungspunde stramm und dachten,  Gott sei angekommen. Natürlich im eleganten Siebener.
Und jetzt?  Der xte Nachfolger des ehemaligen Bosses mit Legendenstatus lässt eine  unglaubliche Sprachschlamperei zu. Mannomann. An dem peinlichen  Geschwurbel, das das Unternehmen am 22. Februar verschickt hat, müssen  Kompanien von Sprachpfuschern aus den Abteilungen Denglisch, Marketing  und PR gesessen und gedichtet haben. Motto: Wie sage ich es einem  (nicht) interessierten Publikum, dass es nichts Neues gibt? Dies aber  so, als würde Bewährtes aus den Angeln gehoben und danach, um im  BMW-Sprech zu bleiben, würde die Vergangenheit gecrasht. Denn eigentlich  sollte der verpanschte zweiseitige Text nur eine selbstverständliche  Botschaft unter die Leute bringen: Künftig wirken BMW-Mitteilungen, ob  in der Werbung oder der PR, stets wie aus einem Guss. Doch dafür wären  keine zwei Seiten, sondern nur zwei Zeilen nötig gewesen. Das geht  natürlich nicht.
Stattdessen wurde nun die „TheGame Group“ als  einheitliches Sprachrohr gegründet (ohne Leeranschlag zwischen den  ersten beiden Worten, supergeiler Einfall!). Frage: War dies nicht  bisher schon der Anspruch der Öffentlichkeitsarbeit? Aber nein, schallt  es zurück, Sie Amateur. Denn Werbung, Marketing-Kommunikation und  Presseabteilung sind in jeder Firma Feinde. Nach dem Lesen dieses  Machwerks muss man den Eindruck haben, dass in den Abteilungen Werbung  und Öffentlichkeitsarbeit von BMW kein Stein auf dem anderen bleiben  wird.
Zum Beispiel heißt es da gleich zu Anfang: „Unternehmens-  und Markenbotschaften werden in Einklang gebracht und mit den jeweiligen  Zielgruppen verknüpft.“ Das ist ein vollkommen neuer Ansatz von  Öffentlichkeitsarbeit. Soweit hat in der verschnarchten Autobranche noch  niemand gedacht. Toll, dass die neuen BMW-Besen in diese Richtung  bürsten wollen. Sicher mit Hilfe des Rats ganz ausgeschlafener Berater.  Da kommt ja ein normaler Pressebubi nie drauf. Es wurde auch höchste  Zeit, denn die letzten 100 Jahre lief dort offenbar mordsmäßig viel  schief. Und zwar derart, dass der Eindruck unvermeidlich war, dass BMW  nicht für tolle Autos, sondern für „Biergarten- und Maßkrug-Werke“  steht. Oder ist irgendwer anderer Meinung?
Nun aber wird ab 1.  April „verknüpft“. Knöpfe sind der neue Reißverschluss zwischen  Abteilungen, die sich zumeist spinnefeind gegenüberstehen. Die sollen  von internationalen Werbe- und PR-Agenturen geeint werden. Und weiter  heißt es dazu im Text der Formuliergötter: „Im Zeitalter der  redaktionellen Gesellschaft erfährt damit die Öffentlichkeits- und  Markenarbeit eine grundlegende Renaissance.“ Boah eij, geil-o-mat. Dass  wir das noch erleben dürfen. Was immer eine „redaktionelle Gesellschaft“  meint, es liest sich auf alle Fälle klasse. Derartiger Mumpitz kommt  direkt aus dem Floskel-Automaten. Es hätte dort auch dies stehen können:  „Modulare Flow-Methoden als Ausdruck destruktiver Elemente.“ Will  heißen: Bisher lief es schlecht, weil wir uns nur gekloppt haben. Alles  klar?
Und die nächste Erkenntnis-Bombe folgt in dem Schrieb  sogleich: „Aufmerksamkeit ist im digitalen Zeitalter zu einem  entscheidenden Gut geworden.“ Es ist nicht zum Aushalten. Spätestens  jetzt hätten aufmerksame Chefs die Sprachpeitsche schnalzen lassen  müssen. Nur so am Rande und zur Bewältigung der bald anstehenden Prüfung  zum Not-Abitur: Liebe BMW-Texter, die BILD-Zeitung schreit ihre Leser  mit fetten Überschriften zwecks Aufmerksamkeit seit Sommer 1952 an. Und  inzwischen sogar auch digital, gelle.
Macht aber nix, die neue  „TheGame Group“ kann künftig sowieso alles besser: „Die BMW Group  verspricht sich davon eine effektive Orchestrierung der Bereiche Brand  Campaign, Brand Experience, Brand Content, Brand Protection und Public  Relations.“ Aha. Was immer der Englisch-Kappes soll, es wäre interessant  zu erfahren, was ‚Orchestrierung‘ meint? Etwa: Künftig gibt es einen  Dirigenten, nach dessen Takt alle spielen müssen? Klingt jedenfalls mega  und soll es sicher auch.
Und zum Schluss, damit klar ist, dass  die Schreiber jener Pressemitteilung offenbar anhaltend zu viel CO2  schnüffeln, noch diese Lesefrucht: „Die künftig holistisch angelegte  Kommunikationsstrategie gewährleistet, dass sowohl das Unternehmen als  auch die Marke BMW über alle Berührungspunkte hinweg in einer Tonalität  und Haltung mit den jeweiligen Zielgruppen in einen Dialog treten.“  Holistisch? Ist das ne Konferenzschaltung von Möchtegern-Intellektuellen  mit der Kundschaft über WhatsApp? Oder haben diese Sprachverhunzer nur  Corona? Sie sollten sich rasch impfen lassen.“ 
Foto: Auto-Medienportal.Net/BMW
Blech-Sprech aus dem Vierzylinder
... mit Harald Kaiser, Auto-Medienportal.Net
Veröffentlicht am: 02.03.2021
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