Ein viersitziger Kleinwagen und Reisemobil im Miniformat war der von Claudius Dornier Jr. initiierte „Rollermobil“-Prototyp Dornier Delta: Die Passagiere konnten von vorne und hinten einsteigen, um dann Rücken an Rücken zu sitzen.
Der Delta war entstanden, weil die Alliierten Flugzeugbau verboten hatten und Claude Dornier sich deswegen nach anderen Produkten für seine Werke umsehen musste. Er war erfolgreich mit Webstühlen und mit Innovationen für den Automobilbau. Serienreife erlangte das ungewöhnliche Delta-Fahrzeugkonzept allerdings erst als Janus beim Nürnberger Motorradhersteller Zündapp.
„Das Automobil als ein Werkzeug zur Fortbewegung sollte seinem Besitzer nicht nur im beruflichen Einsatz von Nutzen sein, sondern darüber hinaus dazu beitragen, andere Länder und Leute kennenzulernen, um neue Eindrücke zu gewinnen, die Lebensfreude und Schaffenskraft zu erhöhen“ stand in der Baubeschreibung des Dornier Delta. Das war für den mit der Konstruktion betrauten Ingenieur Erwin Hymer erstmals der Anlass, sich mit „Camping-Funktionen“ zu befassen – bevor er 1957 mit dem Konstrukteur und Flugzeugpionier Erich Bachem die Firma Eriba gründete, um den Caravan „Ur-Troll“ zu entwickeln.
Der Prototyp des Dornier Delta wurde in selbsttragender Ganzstahlbauweise ausgeführt: Nur 2,88 Meter lang und mit 1,40 bzw. 1,42 Meter fast so breit wie hoch. So weit außen wie möglich sitzen bei 1,82 Meter Radstand und 1,21 Meter Spurweite die Räder mit der Reifengröße 3.50–12. Einzelradaufhängung mit Längslenkern vorn und eine Pendelachse hinten stützen Federbeine aus Spiralfedern und hydraulischen Stoßdämpfern ab. Die Trommeln der auf alle vier Räder wirkenden Öldruckbremse haben 18 Zentimeter Durchmesser und sind drei Zentimeter breit.
Unter einer schall- und geruchsdichten Metallhaube sitzt der gebläsegekühlte Triumph-Standmotor mit 300 ccm Hubraum in der Wagenmitte und entwickelt als Zweitakter mit Gemisch-Schmierung 10 kW/14 PS bei 4.000 Umdrehungen pro Minute (U/min). Er treibt über ein elektromechanisches Stufengetriebe mit vier Vorwärtsgängen sowie einem Rückwärtsgang per Gelenkwelle, Ausgleichsgetriebe und Halbwellen die Hinterräder an. So sind 85 km/h Höchstgeschwindigkeit und 30 Prozent Bergsteigfähigkeit möglich. Dabei reicht der 30-Liter-Tank für rund 500 Kilometer. Bei nur 400 Kilogramm Eigengewicht sind 300 Kilogramm Zuladung möglich.
Der Dornier Delta unterscheidet sich grundlegend von allen anderen Fahrzeugkonzepten der damaligen Zeit: Statt herkömmlicher Türen gibt es vorne und hinten zwei große Klappen, die mit einer Spiralfeder über dem Dach verbunden sind und sich so leicht nach oben öffnen lassen. Die beiden Sitzbänke können zu einer ebenen Liegefläche umgebaut werden und bieten dann eine 1,20 x 1,80 Meter großen „Liegecouch“ für zwei Personen. Zusätzlich war geplant, den Wohnraum des Mini-Campers optional mit Planen an den Klappen zu erweitern. Außerdem kann die hintere Sitzbank herausgenommen werden und das schafft 1,5 Quadratmeter Ladefläche für Warentransporte aller Art.
Mit einem eigenen Prospekt, für dessen Fotos Erwin Hymer, eine Dornier-Mitarbeiterin und zwei Buben mit ihrem Hund Modell standen, feierte der Delta 1955 auf der 37. Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt Weltpremiere. Zu einer Serienproduktion kam es dann aber nicht: Dornier konzentrierte sich mit der Freigabe des Flugzeugbaus in der Bundesrepublik wieder auf sein Kerngeschäft und entwickelte bereits die Do 27.
Gleichzeitig wollte Zündapp, Nürnbergs größter Motorradhersteller, sein Zweirad-Angebot – legendäre schwere Beiwagen-Maschinen wie der „Grüne Elefant“ hatte die Marktentwicklung bereits überholt – um einen vierrädrigen Kleinwagen erweitern, scheute aber eine kostspielige Eigenentwicklung und suchte nach Vorlagen. Über das als ungeeignet bewertete Fuldamobil kam Zündapp auf den Dornier Delta. Nach anfänglichen Bedenken wegen dessen schlichter Ästhetik erkannte man jedoch die innovativen Komponenten und erwarb die Lizenz für die Herstellung.
Die nahezu identische Front- und Heckansicht wurde von Zündapp beibehalten und deshalb für das Fahrzeug der Name des doppelgesichtigen römischen Gottes Janus übernommen. Statt der nach oben schwingenden Einstiegsklappen entschied man sich aber für vorne und hinten rechts angeschlagene und seitlich aufschwingende Türen, die deutlich steiler standen als beim Delta. Damit verlängerten sich das Dach und die Seitenverglasung, die je zwei ausstellbare Dreiecksfenster erhielt. So wirkte der Janus deutlich größer – obwohl die Außenmaße unverändert waren.
Das Fahrwerk wurde um einen Stabilisator vorn ergänzt und die Reifen mit der Dimension 4.40-12 fielen nur geringfügig größer aus. Der in der Wagenmitte montierte Motor war eine Neukonstruktion mit nur einem liegenden Zylinder und Gebläsekühlung, der aus 248 ccm Hubraum wie beim Janus 10 kW/14 PS entwickelte und trotz 25 Kilogramm höherem Leergewicht gleich Fahrleistungen erbrachte. Beim von den Zündapp-Motorrädern übernommene Ziehkeilgetriebe ließ sich beim Schalten kein Gang überspringen.
In der eigens errichteten „Janus“-Halle wurde der Neue ab Mai 1957 produziert und für 3290 DM zuzüglich 40 DM für die Heizung verkauft – sogar in den USA, wo er 1190 Dollar kostete. Trotz seiner vielseitigen Nutzbarkeit und einer Bein- und Kopffreiheit wie in der Mittelklasse galt der Janus mit seiner ungewöhnlichen „Dos-à-dos“-Sitzanordnung nicht als „richtiges“ Auto – ein Standard-Käfer von Volkswagen kostete auch nur 3.780 DM. So wurden bis zum 12. September 1958 nur 6902 Exemplare produziert und auch der Versuch, nach einer Fernfahrt von Nürnberg nach Madrid mit Dornier über eine Weiterführung der Produktion in Spanien zu verhandeln, endete erfolglos.
Der Delta-Prototyp ging 1956 von Nürnberg nach München zurück und fiel dort in einer Lagerhalle für 30 Jahre in den Dornröschenschlaf. Beim Ordnen des Nachlasses von Claude Dornier Jr. wiederentdeckt, wurde das vom Zahn der Zeit angenagte Einzelstück erstmals 1988 auf der Berliner Automobilausstellung AAA unter dem Motto „Flugzeugdesign für das Auto“ wieder öffentlich ausgestellt. Danach kam der in das Museum Industriekultur in Nürnberg und wurde, in einigermaßen stabilisiertem Zustand, als Vorbild für den Zündapp Janus präsentiert.
Zu einer behutsamen Restaurierung kam es erst ab 2010, als sich das Nürnberger Museum, das Erwin-Hymer-Museum in Bad Waldsee und das Dornier-Museum in Friedrichshafen zu einem Projekt verbanden, um den Delta dauerhaft der Nachwelt zu erhalten. Dabei übernahm die Diplomrestauratorin Gundula Tutt aus Vörstetten bei Freiburg die Arbeiten an der Karosserie und die Hymer-Museumswerkstatt kümmerte sich um die originalgetreue Wiederherstellung der Innenausstattung.
Nun ist der Dornier Delta abwechselnd in Mittelfranken neben dem Zündapp Janus, am Bodensee zusammen mit dem auch nicht in Serie gegangenen Nachfolger Delta II E und in Oberschwaben umgeben von anderen Campingfahrzeugen zu besichtigen.
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Karl Seiler