Wo das Déjà-vus zur Fata Morgana wird, ist der aktuelle Ford Puma zuhause. Denn sein Name erinnert an eine längst vergangene Ära, in der sich die Kölner mit den Rüsselsheimern ein Kopf-an-Kopf-Rennen im neu erfundenen Kleinwagen-Coupé-Segment, begonnen mit dem Tigra, lieferten.
Die Tage der Klasse sind seit 20 Jahren gezählt, heute muss es hoch hinaus gehen. So prangt 2022 die Raubkatzen-Nomenklatur „P U M A“ in Porsche-Marnier am Heck eines putzig designten Kleinwagen-SUV. Kommt noch „ST“ hinzu, hat man es mit dem größten Spaßmacher seiner weichgespülten Zunft zu tun.
„Mean Green“ lautet die grüne Supernova, die Ford für den Puma ST – und seit neuestem auch für den Fiesta ST – angerührt hat. Mit so viel Frische im Lack heitert der Puma den Verkehr und die täglichen Strecken ungemein auf. Auch das Außenkleid, das sich durch ein dezentes Aerodynamik-Kit, eine schwungvoll abfallende und am Heckspoiler wieder ansteigende Dachlinie sowie ein sportlich-modernes Felgendesign definiert, sticht im Verkehr eindeutig heraus.
Unter das hochbeinige Kleid des Puma gelangt vollwertige Fiesta-ST-Technik inklusive Quaiffe-Vorderachsdifferential mit Sperrwirkung und adelt ihn damit zum handlichsten Instrument seiner überschaubaren Klasse. Spannend wäre ein Kräftemessen mit dem B-Segment-Gegner Opel Mokka gewesen, doch einen GSi oder gar OPC gibt es in Rüsselsheim nicht für Geld und gute Worte.
Der aus dem Fiesta ST bekannte 1,5-Liter-Dreizylinder-Turbobenziner mit 200 PS schärft der buckligen Katze die Krallen lässt den Puma wie in einem Satz von null auf Tempo 100 km/h sprinten: 6,7 Sekunden sind für ein B-Segment-SUV eine stattliche Leistung. Begleitet vom sonoren Gurgeln des Dreizylinders kommen die Hormone auf Touren. Zum knackigen Gangwechsel tönt ein lauter Nieser aus dem Wastegate, hinten drücken sich drei Püpse aus der Klappenanlage, nächster Gang. So viel anders als beim Vorbild aus dem Tierreich klingt es im Puma ST nicht. Die Katze lebt.
Und sie geht auf Samtpfoten: Wo der Fiesta ST, hämmert und rutscht, heftet sich das weiche Fahrwerk des Puma ST an unebene Straßen heran. Man könnte sagen, der Kleine ist besser für den trockenen Teer, der Große besser für Staub und Nässe. Die Fahrwerksgeometrie jedenfalls ist mit dem ST-Modell des Fiesta nahezu identisch und damit auch im Puma ST hervorragend gelungen. Wenn er um die Ecken schnellt, kommt das Heck genau so weit mit, wie es dem Fahrer für den schnellen Turn hilft. Durch die montierten Winterreifen, die Fahrhöhe und das etwas weicher abgestimmte Fahrwerk bleibt der samtpfotige Puma insgesamt auch gutmütiger als sein reaktiver kleiner Bruder.
Am aktiven Fahrverhalten leistet das Vorderachsdifferential von Quaiffe wichtige Dienste (Teil des Performance-Pakets; 1200 Euro). Die Antriebsverteilung an der Vorderachse zieht Fahrer und Passagiere förmlich in die Kurve hinein. Ford hat sich Mühe für eine straffe und direkte Lenkübersetzung gegeben. Spielerisch, aber viel näher an der Straße als bei der Konkurrenz, serviert Köln dem Fahrer am Lenkrad transparent, was geschieht. Eine traditionelle Servolenkung hätte das noch organischer und intuitiver hinbekommen, die moderne Lösung geht jedoch schnell in Fleisch und Blut über. Auf der Straße verrichtet ein sensibles, frequenzabhängiges Fahrwerk seinen Dienst, welches die Fahrgastzelle auf schnell gefahrenen Bodenwellen weder aufschaukelt noch großartig erschüttert.
Nicht ganz so weit in die Herzen spielt Ford sich beim Innenraum. Zwar kann er mit viel sportlicher DNA in Form von Recarositzen, Ziernähten, sportlich designten Anzeigen und ST- sowie Performance-Logos aufwarten, die Verarbeitung ist der Preisklasse entsprechend gut. Die Sitze führen sicher und verfügen über eine verstellbare Lordosenstütze. Aber das Gestühl aus dem straffen Fiesta ST zu übernehmen, war eine Spur zu brutal. Recarositze im Stil des Focus MK2 ST wären der im Puma ST eher gewünschten Langstreckentauglichkeit zugute gekommen und hätten die Preispolitik nicht weit nach oben korrigiert.
Dafür machen der cool designte digitale Tacho und das Infotainmentsystem Sync das Reisen für das Auge angenehm und bieten Mehrwert: Öltemperatur und Ladedruck können wie im Rennwagen abgelesen werden, für Beschleunigungsfreaks ist auch eine Launch Control vorhanden. Die braucht man bei der guten Traktion, der noch humanen Leistungsausbeute und dem präzisen Schleifpunkt aber eigentlich nicht. Diese Gags sind es aber, die den Kölnern die Gunst ihrer verspielten Zielgruppe sichern und selbst ein B-Segment-SUV letztlich doch zu einer verschmusten Raubkatze adeln.
Fazit: In puncto Fahrverhalten muss man sich abermals vor den Kölnern verneigen. Ein derart lebendiges Auto in einer derart unsportlichen Fahrzeugklasse anzubieten, macht den Puma, besonders als ST, zum Geniestreich. Bei aller Konsequenz, die Ford an den Tag legt, um die Katze lebendig zu machen, sind die Sportsitze für die Klientel zu hart geraten. Als Käufer ist man immerhin über 30; auch beim Preis: Mindestens 30.900 Euro werden für den Puma ST aufgerufen. Das Performance-Paket sollten Käufer zugunsten der deutlich besseren Fahrleistungen und des Werterhalts für 1200 Euro auf jeden Fall mitbestellen. Ein spaßigeres Auto in der Fahrzeugklasse ist dann nicht mehr zu bekommen.
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Dennis Gauert
Ein kleiner Geniestreich
... ist der Ford Puma ST für Dennis Gauert, Autoren-Union Mobilität
Veröffentlicht am: 24.03.2022
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