
Rennräder  sind nicht mehr nur an die Straße gebunden – Gravelbikes ermöglichen  das sportive Fahren über Feld- und Waldwege, das sich seit ein paar  Jahren wachsender Beliebtheit erfreut. 
Fahrradexperte Gunnar  Fehlau vom pressedienst-fahrrad begleitet die Gravelbike-Szene in  Deutschland bereits seit ihrem Beginn. Während der Eurobike in Frankfurt  am Main (13.–17. Juli) betreut er den Gravel Talk, wo die Neuheiten und  Themen der Szene diskutiert werden. Im Interview spricht Fehlau über  die Hintergründe des Trends des „einen Rads für alles“ und auf was  Einsteiger:innen achten sollten.
pressedienst-fahrrad: Hallo Gunnar, warum ist das Gravelbike aktuell so beliebt?
Gunnar Fehlau:
Ich  sehe dafür drei Gründe. Erstens: Die Räder funktionieren technisch.  Dadurch kommen sie aus der Nische in das Portfolio der großen  Fahrradmarken. Das schafft einerseits mehr öffentliche Wahrnehmung und  wirkt sich andererseits auf den Preis aus. Es gibt jetzt mehr günstige  Einstiegsräder für eine breite Masse. Das Gravelbike ist gerade für  sportliche Einsteiger:innen das perfekte Rad, weil es zwischen  Mountainbike und Rennrad angesiedelt ist.
Zweitens: Erste Idole  kommen auf. Gerade in Deutschland gewinnt eine Sportart an Popularität,  wenn Deutsche darin gut sind. Deshalb ist es einfach toll, dass  Gravelbiken über sportliche Formate Identifikationspersönlichkeiten  bekommt, z. B. in Form ehemaliger Straßenfahrer, und dadurch Menschen  bedient werden, die einen Star brauchen, um selbst aktiv zu werden.
Und  das dritte Thema sind die Events. Durch Corona hat Radfahren im Ganzen  geboomt. Wer sportlich Rad fahren wollte, hat im Gravelbike etwas Neues  entdeckt. Die aktuell aufkommenden Gravelbike-Events sorgen für eine  steigende Aufmerksamkeit.
Gravelbike klingt ja nach der  eierlegenden Wollmilchsau. Gibt es überhaupt das eine Gravelbike? Oder  gibt es Unterschiede zwischen den Rädern?
Gunnar Fehlau:
Ein  entschiedenes Jein. Die perfekte Radkategorie ist immer ‚meins‘ – also  das Rad, das zu den individuellen Bedürfnissen am besten passt. Das  Gravelbike ist eine Art Schweizer Taschenmesser, das auf viele  unterschiedliche Bedürfnisse passt und somit viele Menschen anspricht.  Gravelbikes können sowohl in die Geschwindigkeitsrichtung als auch in  die MTB-Gelände-Richtung ausgedehnt werden. An den Polen sind sie sich  nicht mehr sonderlich ähnlich. Also, wer sportlich fährt, achtet  vielleicht auf ein Aero-Gravelbike. Das macht für den Renneinsatz  absolut Sinn, aber ist nichts für eine Radreise mit Gepäck. Da braucht  es dann eher ein wartungsarmes Gravelbike mit breiteren Reifen, das dann  auch mal Monster-Crosser genannt wird.
Du hast Radreisen  angesprochen und schnell ist man hier beim Begriff Bikepacking. Gehen  die Trends Gravel und Bikepacking Hand in Hand?
Gunnar Fehlau:
Bikepacking  war ein bisschen früher dran. Hier tut sich schon seit längerem etwas  in Europa. Das war aber ein Thema für die MTB-Sparte mit geradem Lenker.  Die Entwicklung hin zum Rennlenker gab nochmals einen Schub für das  Bikepacking. Wobei erst einmal die passenden Lenkertaschen für den  Rennlenker entwickelt werden mussten. Bikepacking und Gravelbiken  verstehen sich inhaltlich aber sehr gut und sind in ihrer Kombination  auch für routinierte Radfahrer:innen etwas Neues. Das sorgt dafür, dass  sich die Spielarten kreuzen und gegenseitig voranbringen.
Welche Rolle spielt das Thema Motorisierung beim Gravelbike?
Gunnar Fehlau:
Unter  den sportiven Radgattungen für Untrainierte ist das Gravel-E‑Bike die  spannendste. Auf Asphalt sind Untrainierte mit einem Rennrad durchaus in  der Lage, über 25 km/h zu fahren. Beim Gravelbike macht der Motor viel  mehr Sinn, weil man durch die schlechteren Pisten nicht so oft die 25  km/h‑Schwelle erreicht. Der Motor ist ein Gewinn und kein Ballast wie  beim E‑Rennrad, wenn es jenseits steiler Pässe gefahren wird.  E‑Mountainbikes hingegen sind mehr auf Fahrtechnik und Geländegängigkeit  ausgelegt – viele technische Features brauchen Einsteiger:innen gar  nicht. Deshalb mein Tipp: Ein kleiner Motor kann für viele Leute am  Gravelbike sehr viel Gewinn bedeuten.
Was sind die Trends für die kommende Saison?
Gunnar Fehlau:
Die  Ausdifferenzierung schreitet weiter voran, was die Räder leichter und  durchoptimierter macht – dafür wiederum teurer. Auf der anderen Seite  werden immer mehr Hersteller versuchen, das Thema für Einsteiger:innen  interessanter zu machen und günstige Modelle anbieten. Als zweiten Trend  sehe ich die Elektrifizierung auf jeder Ebene – also nicht nur E‑Motor,  sondern auch elektronische Schaltung, Integration von Licht und  Stromversorgung und Ähnliches. Ein Nabendynamo, der das Smartphone lädt,  oder ein breitbereiftes Rennrad mit Sicherheitsaspekten wie Beleuchtung  und Radarsystem. Dann sind wir beim Zubehör: Die Produkte werden  mittlerweile erschwinglicher, auch weil die Nachfrage da ist und sich  die Investitionen für die Unternehmen lohnen. Hier kommt auch eine  Vielfalt dazu, weil man nicht mehr auf das angewiesen ist, was der  Fahrradhersteller anbietet, sondern mehr und mehr individuell nachrüsten  kann.
Gibt es schon spezielle Gravelbike-Kollektionen im Zubehörmarkt?
Gunnar Fehlau:
Erst  mal schwingt der Marketing-Buzzword-Alarm bei der Bezeichnung mit. Wenn  man sich aber reindenkt, erkennt man die Hintergründe einer speziellen  Gravelbike-Linie. Das geht über alle Komponenten und Zubehörgruppen. Ist  der Rennlenker vom Rennrad auch fürs Gravelbiken geeignet? Braucht es  andere Reifen und Felgen, die bislang aus dem Mountainbike-Bereich  kommen? Oder auch etwas Banales wie Luftpumpen: Gravelbikes brauchen  einen anderen Druckbereich als MTB- oder Rennradpumpen. Es ist egal, ob  die Pumpe dann Gravel-Pumpe oder Mid-Pressure-Pumpe heißt. Wichtig ist,  sie muss zur Anwendung passen. Wir haben es bei den Schaltgruppen  gesehen: Zuerst waren es hemdsärmlige Kreuzungen aus MTB- und Rennrad,  mittlerweile gibt es spezifische Gravel-Gruppen, die auf den Einsatz  abgestimmt sind. Das gibt wiederum den Kund:innen Orientierung für die  Kaufentscheidung.
Was würdest du Neueinsteiger:innen vor dem Radkauf raten?
Gunnar Fehlau:
Ganz  wichtig: erst mal ausprobieren. Entweder im Fachhandel oder im  Bekanntenkreis nach einem Testrad fragen. So kann man feststellen, ob  einem die Radgattung überhaupt liegt. Das Fahren mit Rennlenker will  nämlich gelernt sein. Erst durch lockere Unterarme und Elastizität im  Ellenbogen wird das Fahren im Gelände komfortabel. Und mit Komfort kommt  Kontrolle und mit Kontrolle Sicherheit. Außerdem ist der richtige  Luftdruck besonders wichtig. Über den Luftdruck lässt sich sehr viel  Komfort und Traktion steuern. Eine Handpumpe mit Manometer macht deshalb  Sinn, um unterwegs unterschiedliche Drücke zu testen. Wenn man sich  vorab beim Testen ein bisschen Zeit gönnt, ist die Chance größer,  langfristig Freude am Gravelbike zu finden.
Was würdest du dir für den Einstieg unbedingt kaufen?
Gunnar Fehlau:
Ich  fange immer beim Menschen an. Nach dem Rad: Helm, Handschuhe, Hose. Der  Helm ist wichtig bei einem Sturz. Handschuhe ebenfalls, weil man sich  sonst auf dem Schotter schnell die Hände aufreißen kann. Eine gut  gepolsterte Hose sorgt für einen verbesserten Fahrkomfort. Minitool und  Flickzeug sollten auch dabei sein. Eine Trinkflasche ist auch super.  Vielleicht auch eine Handyhalterung. Das Handy hat man eh dabei und dann  hat man das Gerät direkt am Lenker und kann damit navigieren.
Quelle: www.cosmicsports.de | pd-f
Das Gravelbike ist für den sportiven Einstieg das perfekte Rad
Hintergründe zum Fahrradtrend
Veröffentlicht am: 19.06.2022
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