Mit  elektrischer Kraft durch entlegene Regionen der Erde. Die  Rennsport-Serie Extreme E will ab dem Osterwochenende neue Akzente  setzen. Mit am Start ist das Team Abt Cupra XE: Eine Zusammenarbeit von  Rennstall Abt Sportsline und Seats Performancemarke Cupra. 
Die  beiden Fahrer Claudia Hürtgen, erfolgreiche GT-Pilotin, und der  zweimalige DTM-Champion und Rallye-Cross Experte Mattias Ekström  verraten im Gespräch, was im Wüstensand Arabiens auf sie zukommen wird.
Was reizt Sie an der Extreme E?
Claudia Hürtgen: 
Das  ganze Paket: Zum einen das sportliche Format, bei dem man sich ein  Cockpit teilt und auf unterschiedlichen Untergründen Rennen fährt – und  das gegen vier andere gleichzeitig. Dann ist da auch das Thema Umwelt.  Durch den Klimawandel kriegen wir in den Regionen, in denen wir fahren  werden, sehr viel mit was die Umwelt betrifft. Das ist etwas, was ich  sehr interessant finde. Das Fahrzeug mit Elektromotor kommt hinzu. Die  Elektrifizierung wird kontinuierlich weiterentwickelt. Es ist  interessant, wie der Elektromotor funktioniert und wie wir in den  unterschiedlichen Regionen vorankommen – schließlich fahren wir  innerhalb von ein paar Monaten in der Wüste und dann in Grönland. Das  sind extreme Herausforderungen.
Mattias Ekström: 
Es sind  mehrere Sachen. Das sportliche Format ist knackig, in meinen Augen ist  es sehr nahe am Rallycross. Ich mag Sprint-Rennen. Die Autos sind SUV  für das grobe Gelände und nicht für Asphalt gemacht. Dass wir zeigen, wo  die Umwelt gelitten hat, finde ich spannend. Je mehr ich darüber  nachdenke, finde ich es auch immer besser, dass man zu zweit als Team  fährt. Es ist ein neues Format, der klassische Motorsport ist ja oft  recht langweilig. Der Unterhaltungswert der Extreme E dagegen wird hoch  sein.
Was unterscheidet den Extreme E-Rennwagen von den Boliden, die Sie in ihrer bisherigen Karriere gefahren sind?
Hürtgen: 
Ich  kann das gar nicht vergleichen. Zunächst bin ich noch nie mit einem  100-prozentigen Elektrofahrzeug in Wettbewerben gefahren. Zwar habe ich  schon Rennen in Allrad-Fahrzeugen absolviert, aber nicht mit so einer  Sitzposition und so einem Schwerpunkt. Für mich ist vieles neu, ich  würde sogar sagen: alles. Es ist nicht vergleichbar mit einem GT- oder  Formel-Auto.
Was war der erste Fahreindruck bei den Tests?
Ekström: 
Auf  den ersten paar Metern ist jedes neue Auto sehr spannend. Man versucht  zu verstehen, wie das Fahrzeug fährt, wie es sich benimmt. Bei der  Premiere in Oschersleben hatten wir viel Spaß. Beim nächsten Test in  Aragon, bei dem erstmals mit voller Leistung gefahren wurde, konnte man  erahnen, was auf einen zukommt. Das war richtig cool. Beide Teststrecken  waren sehr unterschiedlich. Wenn sich auf der Strecke dann plötzlich  große Gefälle oder Löcher vor einem auftun, muss man fast rodeln – wenn  man das so sagen kann. Man lernt dabei das Auto am Limit zu bewegen.  Beim Rennen gegen Konkurrenten wird das aber eine andere Nummer als  alleine zu fahren.
Wie sieht die Vorbereitung auf die Rennen aus? Ist Simulator fahren möglich oder ist das „frei Schnauze“?
Hürtgen: 
Frei  Schnauze! Ich habe das Glück vor dem ersten Rennen zusammen mit Mattias  nach Dubai zu fliegen und dort etwas Sand zwischen die Zähne zu  bekommen, also im Sand zu trainieren. Auf die Vorbereitung freue ich  mich. Und es ist die ganze Vorbereitung. Simulatoren oder Sim-Racing für  diese Serie gibt es noch nicht. Für mich zählt so die Realität: Wie  fühlt sich das Auto im Sand an, wie fährt man schnell auf diesem  Untergrund? Zum Glück habe ich mit Mattias den perfekten Teamkollegen  dabei.
Die SUV basieren alle auf dem Odyssey 21 von der Extreme  E-Serie selbst. Welche eigenen technischen Möglichkeiten und  Ansatzpunkte haben die Teams?
Ekström: 
Beim Differential, den  Stoßdämpfern, der Federung, der Fahrzeughöhe, dem Reifendruck und auch  bei den Software-Einstellungen gibt es relativ viele Möglichkeiten.  Zuerst habe ich gedacht, das wird langweilig, weil alle das gleiche Auto  haben. Aber innerhalb dieses Rahmens gibt es viel Spielraum. Es wird  sehr darauf ankommen, die Strecken so schnell wie möglich zu lesen und  zu verstehen. Die entsprechenden Voraussetzungen gilt es dann schnell zu  adaptierten, um das optimale Setup für die verschiedenen Streckenbeläge  zu finden. Obwohl alle das gleiche Auto haben, gibt es genug  Einstellmöglichkeiten, so dass man als Team den Unterschied machen kann.  In der Zukunft wird das vielleicht anders. Im ersten Schritt finde ich  es aber mehr als genug.
Welche Taktik haben Sie sich für das Auftaktrennen zurechtgelegt?
Hürtgen: 
In  Saudi-Arabien machen wir einen Track Walk und schauen, welche  Erkenntnisse aus den Tests wir anwenden können. Dann treffen wir eine  Entscheidung. Wichtig ist auch: Wir fahren ja nicht alleine. Wir fahren  auf Sand wie bei einer Rallye, nur eben auch direkt gegen andere.  Entsprechend wichtig ist es, wie man sich positioniert und die Strecke  optimal fährt. Das ist eine neue Herausforderung. Gemeinsam mit unserem  Renningenieur vor Ort werden wir die Strategie entwerfen.
Wie wird das Racing Ihrer Meinung nach? Sind Tür an Tür Duelle möglich?
Ekström: 
Jeder  weiß: Es kommt von Beginn an darauf an, einen scharfen Ellenbogen zu  haben. Die Räder vom Auto stehen ein bisschen hervor. Nicht wie bei  einem Formel-Fahrzeug, aber wenn man Seite an Seite fährt, muss man  schon wissen, wer auf der besseren Linie fährt. Die Autos treffen da  relativ schnell aufeinander. Ich glaube Überschläge werden schon  passieren. Ich wäre überrascht, wenn am ersten Rennwochenende alle Autos  auf vier Rädern bleiben. Claudia ist eine gute Racerin. Unser Vorteil  ist, dass wir beide Erfahrungen in Kopf-an-Kopf Rennen haben. Ein paar  unserer Konkurrenten sind mehr Rallye gefahren und sind Tür-an-Tür nicht  gewöhnt.
Wie sehen Sie die Zukunft des Motorsports? Werden wir zukünftig noch mehr innovative Formate wie die Extreme E sehen?
Hürtgen: 
Der  Motorsport verändert sich im Moment sehr schnell. Auch, wie die Werke  das Thema unterstützen. Elektro-Fahrzeuge sind ein wichtiger Punkt für  die Autoindustrie, und der Motorsport in den oberen Bereichen lebt von  den Werksengagements. Der Motorsport hat früher von der Botschaft  gelebt: Von der Rennstrecke auf die Straße. Im Moment ist es ja anders  herum: Es gibt viel mehr auf der Straße, als auf der Rennstrecke. Da  muss eine gute Mischung gefunden werden, um das Thema wieder interessant  für Partner und die Hersteller zu machen. Daher schauen viele auf neue  Serien wie die Extreme E. Damit wollen wir neue Gruppen begeistern und  neues Klientel ansprechen. Das ist für den Motorsport sehr wichtig.
Ekström: 
Der  Motorsport steht vor der größten Herausforderung, zumindest seitdem ich  dabei bin. Andere Sportarten bieten auch viel Unterhaltung und Action,  egal ob Backflips auf einem Schneemobil, Moto-Cross oder Skateboards.  Dagegen ist klassischer Motorsport ein bisschen langweilig geworden. Es  muss kein Neuanfang sein, aber Motorsport muss den Menschen wieder mehr  Entertainment bieten. Es darf kein langweiliges Hinterherfahren sein. Es  muss auch richtigere Charaktere und Typen geben. Durch die mediale  Ausbildung seitens der Hersteller sagen die Fahrer mittlerweile alle nur  noch das Richtige. Keiner darf mehr etwas Wildes tun. Motorsport hat  eine gute Zukunft, wenn man die Formate an das Leben anpasst, das die  Menschen heutzutage führen. 
Foto: Auto-Medienportal.Net/Cupra
„Motorsport muss wieder mehr Entertainment bieten“
Interview mit Claudia Hürtgen und Mattias Ekström
Veröffentlicht am: 04.04.2021
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