
Zum Abschluss des Europäischen Kulturhauptstadtjahres präsentieren die Kunstsammlungen Chemnitz eine große Einzelausstellung zu Carlfriedrich Claus, einem der bedeutendsten Künstler der Region.
Carlfriedrich Claus. Am Rand des Jetzt am Rand des Hier stellt das phonetische Werk des Künstlers in den Mittelpunkt. Kernstück ist die Installation des sogenannten Lautprozessraums, der 1995 erstmals in den Kunstsammlungen am Theaterplatz gezeigt wurde und nun zu seinem 30-jährigen Jubiläum rekonstruiert wird.
In den 1950er Jahren begann der aus Annaberg-Buchholz stammende Autodidakt anhand von ersten Gedichten, sogenannten Klang-Gebilden und Letternfelder, Buchstaben und Wörter in ihren klanglichen und optischen Eigenschaften zu erforschen. Schriftsteller:innen und Künstler:innen weltweit gingen zu dieser Zeit ähnlichen Fragestellungen nach, und so entwickelte sich ein Netzwerk von Vertreter:innen der visuellen und akustischen Poesie, in dem Carlfriedrich Claus trotz seiner Isoliertheit in der DDR ein hochgeschätzter Akteur war.
Claus selbst sah seine Werke immer als eine eigene Art von Literatur an. Seine sogenannten Sprachblätter, die ab den 1960er Jahren entstanden, sind aufgezeichnete Denkprozesse. Der Künstler beschäftigte sich intensiv mit philosophischen, gesellschaftspolitischen oder naturwissenschaftlichen Themen und verarbeitete seine theoretischen Überlegungen in Zeichnungen und Druckgrafiken, in denen sich lesbare und unlesbare Schrift sowie Zeichenhaftes mischen. In den 1980er-Jahren wandte er sich erneut intensiv der akustischen Literatur zu und untersuchte vorsprachliche Prozesse, Laute und Affekte.
Claus‘ künstlerisches Ziel war stets die aktive Einbindung des Publikums: Seine Sprachblätter regen zur Reflexion an, seine Lautprozesse fordern dazu auf, mit den eigenen Sprechorganen zu experimentieren und die Wirkung auf das eigene Bewusstsein zu erkunden. Der Lautprozessraum verbindet diese Ansätze zu einer einzigartigen Klangumgebung, die Besucher:innen durch ihre Bewegung selbst steuern können. Ergänzt wird die Installation durch Zeichnungen, Mappenwerke, Dokumente und Bücher, die einen umfassenden Einblick in den Denk- und Arbeitskosmos des Künstlers geben.
Seit 1999 bewahren die Kunstsammlungen Chemnitz mit der Stiftung Carlfriedrich Claus Archiv seinen umfangreichen Nachlass: 575 Handzeichnungen, rund 850 Druckgrafiken, zahlreiche Tonaufnahmen sowie Manuskripte, Tagebücher, Briefe und eine Bibliothek mit fast 10.000 Bänden machen es zu einem einzigartigen Zeugnis der Kunstgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Veranstaltungen zur Ausstellung
Eröffnung
Mittwoch, 26.11.2025, 18:30 Uhr
Kunstsammlungen am Theaterplatz
Gespräch
Mittwoch, 3. Dezember 2025, 18:30 Uhr
Die Ein-Mann-Expedition in unbekanntes Gebiet. Subjektive Zwischenbemer
kungen zu Carlfriedrich Claus
Der Schriftsteller und Mitglied der Akademie der Künste, Ingo Schulze, ist in der Reihe der Chemnitzer Akademie-Gespräche mit Matthias Weichelt, Chefredakteur der Zeitschrift Sinn und Form, im Gespräch.
Eine Veranstaltung der Akademie der Künste Berlin in Kooperation mit der Stiftung Gunzenhauser
Vorträge
Mittwoch, 28. Januar 2026, 18:30 Uhr
Schreibmaschine und Tonbandgerät. Zum Frühwerk des Experimentalpoeten
Carlfriedrich Claus
Prof. Dr. Annette Gilbert, FAU Erlangen-Nürnberg / U Münster
Mittwoch, 25. Februar 2026, 18:30 Uhr
Sprechexerzitien, Lautprozesse, Radioexperimente. Carlfriedrich Claus und die
internationale akustische Kunst der Gegenwart
Michael Grote, Universität Bergen
Konzert und Vortrag
Donnerstag, 5. Februar 2026, 18:30 Uhr
Sprachklangabend
Uraufführung der Sprachkomposition Soundscapes of Europe: Babel 5 für menschliche Frauenstimmen und KI-Chor (2025) von Ellen Fricke mit Anna Clementi und Natalia Pschenitschnikova sowie Werke von Peter Ablinger und Interpretationen zu Carlfriedrich Claus komponiert von Natalia Pschenitschnikova
Kunstsammlungen am Theaterplatz
Museum Gunzenhauser
Schloßbergmuseum
Burg Rabenstein
Henry van de Velde Museum
Karl Schmidt-Rottluff Haus
Carlfriedrich Claus Archiv
Kunstsammlungen Chemnitz
Theaterplatz 1
09111 Chemnitz
T +49 (0)371 488 4474
F +49 (0)371 488 4494
www.kunstsammlungen-chemnitz.de
Bild: Carlfriedrich Claus (1930 – 1998), Montage zweier Skizzen im Bereich des 2. Signalsystems: einen Sprechakt entwickelnd, 1960/1961/1963, Feder, Pinsel, Tusche auf Schreibpapier, Kunstsammlungen Chemnitz, Stiftung Carlfriedrich Claus-Archiv
© VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Foto: Kunstsammlungen Chemnitz/Frank Krüger




