
Es  passiert beim Radfahren immer mal: Ein Zwicken im Rücken, die Füße oder  Finger werden taub, der Po schmerzt. Was man als Tourenfahrer:in bzw.  E‑Biker:in gegen die jeweiligen Schmerzen präventiv und während der Tour  tun kann, erklärt Fahrrad-Ergonomiespezialist Dr. Kim Tofaute gegenüber  dem pressedienst-fahrrad.
Genital- und Poschmerzen
Schmerzen  im Genital- und Gesäßbereich sind vermutlich bei jeder oder jedem schon  einmal aufgetreten. Da der Kontaktpunkt Sattel-Gesäß den Großteil des  Gewichts während der Fahrt trägt, sind Poschmerzen bei den ersten Touren  aufgrund mangelnder Gewöhnung obligatorisch. Mit der Zeit und vielen  Kilometern ändert sich das und das Gesäß gewöhnt sich an die anfänglich  ungewohnte Belastung. Treten weiterhin Probleme auf, kann es sich um  einen falschen Sattel handeln. „Dass der von vornherein verbaute Sattel  auch passt, ist ein Glücksspiel. Die Investition in einen neuen Sattel  ist deshalb immer zu überlegen. Bei Schmerzen im Genitalbereich lohnt  sich beispielsweise ein Sattel mit Entlastungszonen und Aussparungen“,  rät Dr. Kim Tofaute. Kaufinteressierte sollten bei der Auswahl zudem  Form, Größe, Geschlecht und Fahrstil einbeziehen. Für die Tour hat der  Fachmann auch einen Tipp: „Hin und wieder aus dem Sattel gehen und das  Gesäß entlasten.“ Zudem spielt die Kleidungswahl eine wichtige Rolle:  Jeans können aufgrund ihrer Nähte auf längeren Touren zu Reibungen  führen. „Radhosen sind zu empfehlen oder Sportunterwäsche ohne Nähte.  Dann drückt auch nichts.“
Rückenschmerzen
Rückenschmerzen  gehören ebenfalls zu den typischen Problemen beim Radfahren und treten  speziell auf ersten längeren Touren auf. „Der Körper muss sich auf  anfänglich ungewohnte Belastungen einstellen. Also lieber häufiger  fahren und Pausen machen, als gleich mit einer Gewalttour starten“, sagt  Tofaute. Außerdem sei auf einen geraden Rücken und eine entspannte  Haltung zu achten. „Es lohnt sich, die Einstellung des Rades zu  überprüfen. Oft sind es nur kleine Punkte, die geändert werden müssen.  Dabei unterstützen Video-Tutorials oder spezielle Tools, wie zum  Beispiel die Fitting-Box“, so der Experte. Sein Tipp für unterwegs:  Pausen machen und dabei den Rücken entspannen oder leichte Rückenübungen  machen.
Nackenschmerzen
Der Nacken gehört vor allem für  Menschen mit sitzender Tätigkeit zu den Problembereichen. Nicht nur beim  Radfahren ist es deshalb wichtig, den Nackenbereich regelmäßig zu  entspannen. „Eine Nackenmassage oder spezielle Gymnastik abseits des  Rades bewirkt schon erste Besserung“, meint der Experte. Regelmäßige  Pausen, etwa jede halbe Stunde, oder Änderungen der Griffposition können  während der Tour Abhilfe schaffen. Ein weiteres Problem kann laut  Tofaute der Helm sein: „Wenn der Helm nicht richtig passt, hält man den  Kopf unbewusst schief, was schlecht für den Nacken ist.“ Außerdem rät  der Experte gerade im Frühjahr dazu, ein leichtes Halstuch zu tragen:  „Das minimiert die Zugluft und verhindert eine Auskühlung.“
Taube Hände
Lastet  zu viel Druck auf den Händen oder ist das Handgelenk abgeknickt, können  Hände und Finger während der Radtour schnell taub werden. Mit  steigendem Alter kommt die Problematik eines Karpaltunnel-Syndroms  hinzu. „Um die Problembereiche zu stärken, bietet sich Fitnesstraining  wie Yoga oder Gymnastik an. Jeden Tag eine Übung kann schon helfen“, so  Tofaute. Er empfiehlt zusätzlich einen Wechsel zu ergonomischen Griffen  mit einer größeren Auflagefläche und Hörnchen, sogenannten „Barends“,  für unterschiedliche Griffpositionen. „Auch sollte man über einen  Lenkertausch nachdenken. Viele Trekkingbikes haben sportliche  Mountainbike-Lenker. Ein etwas gebogenerer Lenker sorgt dafür, dass  Druck von den Händen genommen wird.“ Gepolsterte Handschuhe sind  ebenfalls eine Option und schützen zudem bei einem Sturz vor  aufgeschürften Händen.
Knieschmerzen
Knieschmerzen sind in  der Regel eine Einstellungssache. „Speziell viele E‑Biker:innen haben  den Sattel falsch eingestellt und sitzen zu tief. Ein richtig  eingestellter Sattel sorgt dafür, dass der Druck auf die Knie minimiert  wird“, erklärt der Experte. Zur besseren Kraftübertragung und für eine  große Standfläche rät er, möglichst breite Pedale und feste Schuhe zu  kombinieren. Außerdem sollte nicht mit zu schweren Gängen gefahren,  sondern vielmehr auf eine hohe Trittfrequenz geachtet werden.
Muskelkater
Schon  während der Tour wird das Treten schwerer, die Oberschenkel brennen –  den Muskelkater spürt man dann aber erst richtig am nächsten Tag. Dieser  Effekt kann laut Tofaute zwei Gründe haben: erstens eine Übersäuerung,  weil man sich bei der Tour überschätzt hat. Zweitens mangelnde Bewegung,  weil der Körper die Belastungen noch nicht kennt. Beides kann man  schnell steigern, wenn man öfter das Rad nutzt. Dennoch rät der Experte  zu einem langsamen Herantasten: „Zwischendurch auch während der Fahrt  einmal die Beine lockern und bei Pausen dehnen oder hochlegen. Auf gute  Regeneration nach der Tour achten. Auch beginnt man bei Überanstrengung  stark zu schwitzen. Dagegen hilft viel zu trinken, um so für eine gute  Durchblutung zu sorgen.“
Taube Füße
Laut Tofaute können  taube Füße oftmals mit falschen Schuhen zusammenhängen. Zu kleine Schuhe  sorgen für Druckstellen. „Füße schwellen zudem während der Fahrt etwas  an. Nachschnüren lohnt sich deshalb oder die Schuhe während einer Pause  ausziehen und so die Durchblutung fördern“, sagt Tofaute. Gerade Frauen  leiden bei Touren oft unter kalten Füßen, was sich auf die  Kraftübertragung auswirkt. „Frischhaltefolie um die Fußspitzen oder ein  bisschen Zeitung im Schuh sorgt dafür, dass die Füße nicht so schnell  auskühlen“, so ein Insider-Tipp des Ergonomie-Experten. Für bessere  Kraftübertragung und Entlastung der Füße sorgen spezielle ergonomische  Fahrradschuheinlagen oder richtig eingestellte Klickpedale, für die es  übrigens ebenfalls spezielle Einstellhilfen gibt. „Taube Füße können  aber auch auf eine zu stark geneigte Sattelnase zurückgehen. Daraus  resultiert eine ungeeignete Hüftstellung, wodurch die Nerven komprimiert  werden.“ Auch eine falsche Sitzhöhe kann Probleme in diesem Bereich  bereiten.
Beckenschmerzen
Beckenschmerzen können  unterschiedliche Ursachen haben, z. B. drückt der Sattel zu stark in die  Weichteile oder das Becken wird beim Pedalieren verdreht. „Deshalb ist  es wichtig, dass die Sitzposition stimmt. Nicht nur in der Höhe, sondern  auch die Sattelneigung muss passen“, so der Experte. Außerdem seien  viele Radfahrende einfach zu „hüftsteif“. Mit Dehnübungen und Gymnastik  wird die Muskulatur gestärkt und Schmerzen verhindert. „Tägliches Dehnen  von zwei Minuten ist dabei ausreichend. Das kann jede:r zu Hause  machen.“ Wenn Schmerzen bei einer Tour auftreten, die Übungen einfach  bei Pausen einstreuen. Sollten die Schmerzen jedoch chronisch werden,  ist medizinischer Rat gefragt.
Unspezifische Schmerzen
Der  ganze Körper schmerzt, man fühlt sich schlapp, hat aber keine Ahnung,  warum das so ist? „In diesem Fall sollte man darauf achten, dass man  während der Tour genügend isst und trinkt“, meint Tofaute. Wenn die  Probleme häufiger auftreten, sollten man sie genau lokalisieren und  näher untersuchen lassen. Es können beispielsweise auch Schäden am Herz  die Ursache sein. Dann am besten einen Arzt konsultieren. „In so einem  Fall bloß nicht auf Dr. Google hören“, warnt der Fachmann.
Ermüdung
Bei  den ersten Touren nach dem Winter ist auf einmal der Punkt erreicht, an  dem man nicht mehr weiterkommt und keine Kraft auf die Pedale bringt.  Sportler:innen sprechen dann gerne vom „Blaufahren“, der Körper ist also  so ermüdet, dass er keine Kraft mehr aufbringen kann. „Viele schätzen  sich falsch ein und wissen nicht, wo die Grenzen liegen. Deshalb sollte  man lieber mit kleinen Touren anfangen, Lockerungen und Pausen einplanen  und dabei viele Kohlenhydrate wie Müsliriegel und Sportnahrung zu sich  nehmen“, rät Tofaute. Aber auch die Intensität der Tour kann die  Ermüdung nach hinten schieben. „E‑Biker:innen können beispielsweise eine  andere Unterstützung wählen oder anders schalten, um einen anderen  Trainingseffekt zu erzielen. Im Grund steht eines über allem: Spaß  haben.“
Zur Person
Dr. Kim Tofaute studierte  Sportwissenschaft an der Deutschen Sporthochschule in Köln und war von  1998 bis 2004 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. In dieser Zeit  befasste er sich intensiv in einem Forschungsprojekt unter Leitung von  Prof. Dr. Ingo Froböse mit dem Thema Ergonomie beim Radfahren.  Anschließend übernahm er die Leitung der Produktentwicklungsabteilung  bei Ergon, einem Hersteller von ergonomischen Komponenten wie Sätteln  und Griffen. Mittlerweile leitet der 51-Jährige sein eigenes  Bikefitting-Studio, ist weiterhin in der Entwicklung von Ergon aktiv und  war federführend bei der Entwicklung der Fitting-Boxen, die bei der  ergonomischen Einstellung der Sitzposition helfen. Zusätzlich ist er ein  erfolgreicher Langstrecken-Mountainbiker.
Quelle: www.ergonbike.com | pd-f
Schmerzen beim Radfahren
... und was man dagegen tun kann
Veröffentlicht am: 12.03.2022
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