Er war zwar relativ klein, aber ein Star der IAA 1963 in Frankfurt: Mit dem Wankel Spieder stellte NSU vor 60 Jahren den weltweit ersten Serienwagen mit Kreiskolbenmotor vor. 1964 lief er vom Band – und nach drei Jahren war schon wieder Schluss. Dennoch, mit dem kleinen Sportwagen schrieb NSU Automobilgeschichte.
Schon früh hatte das Unternehmen Kontakt zu Konstrukteur Felix Wankel gehabt. Erstes Ergebnis der Kooperation war ein drehschiebergesteuerter 250-Kubik-Motorradmotor auf Basis der NSU-Modelle Lux und Max. Da sich Mitte der 1950er Jahre aber ein starker Trend zum Automobil abzeichnete, konzentrierte man sich bald schon auf die Aggregatentwicklung für Autos. Wankel hatte seine Idee weitergedacht und als Drehkolbenmotor ausgelegt; in diesem rotiert ein spitzovaler Kolben in einem sich ebenfalls drehenden, nahezu kreisförmigen Körper. NSU erweiterte den Vertrag mit Felix Wankel – Ziel der Zusammenarbeit war die Entwicklung von Drehkolbenmotoren, abgekürzt DKM. Am 1. Februar 1957 lief dann in Neckarsulm der DKM 54 auf dem Prüfstand, der erste Drehkolbenmotor der Welt. Er zeichnete sich durch seinen ruhigen Lauf auf. Nach 15 Stunden auf dem Prüfstand traten jedoch erste Dichtungsprobleme auf. Und so kamen die Entwicklungsingenieure zu der Überzeugung, dass das Motorenkonzept grundlegend überarbeitet werden musste.
Um die Komplexität des Prinzips zu reduzieren und die Technik zu vereinfachen, arbeitete drehte sich im Nachfolgeaggregat der Kolben in einem feststehenden Gehäuse. Anfang 1959 absolvierte der KKM 250 erste Tests auf dem Prüfstand. Nach weiteren Verbesserungen wurde der Motor im Sommer des Jahres schließlich in einen NSU Prinz als Versuchsträger eingesetzt. Den Nachfolgemotor KKM 400 bauten die Ingenieure wenig später in einen NSU Sport-Prinz ein.
Im September 1963 war es endlich soweit: Kurz vor der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt stand das Werk Neckarsulm für eine Stunde still, als der damalige NSU-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerd Stieler von Heydekampf den Beschäftigten offiziell den „NSU-Spider“ vorstellte, wie er damals offiziell hieß. Der Beifall war groß – die Erwartungen waren es auch. Der neue und von Designerikone Bertone gezeichnete Sportwagen war ein absoluter Hingucker. Auf der Frankfurter Automobil-Ausstellung wurde das Auto euphorisch gefeiert, vor allem wegen seines revolutionären Motors. Der Antrieb war leicht – mit Getriebe, Lichtmaschine und Anlasser lag das Gesamtgewicht bei gerade einmal 125 Kilogramm – und brauchte wenig Platz. Der Wankel war deshalb als Unterflurmotor im Heck montiert, wodurch der Spider sowohl einen Kofferraum vorn als auch hinten besaß.
Der neuartige Motor überzeugte die Fachwelt durch seine extreme Vibrationsarmut und lief laut NSU-Werbung so ruhig wie ein Sechszylinder. Bei vielen hieß das Aggregat schnell einfach nur „Wankelmotor“. Seine Vorzüge sprachen sich schnell herum und bald schon erwerben namhafte Auto- und Motorenhersteller Lizenzen für die neue Kreiskolbenmotortechnik aus Neckarsulm – darunter General Motors, Daimler-Benz, Porsche, Nissan, Toyota und Toyo Kogyo, heute besser bekannt als Mazda und als Firma, die den Kreiskolbenmotor gerade im MX-30 R-EV als Reichweitenverlängerer wieder aufleben lässt.
Das Lizenzgeschäft war für die Neckarsulmer einträglich, aber der Absatz des eigenen Autos verlief schleppend. Den Wankel Spider konnte man ein Jahr nach der IAA-Präsentation ab Herbst 1964 in Rot oder Weiß zum Preis von rund 8500 D-Mark kaufen. Bis Juli 1967 wurden vom weltweit ersten Wankel-Auto exakt 2375 Exemplare hergestellt. Mit einem weiterentwickelten Motor nach dem Wankelprinzip, dem Zweischeiben-Wankelmotor im NSU Ro 80, unternahm NSU noch im selben Jahr einen weiteren Anlauf, diese Motorentechnologie zu etablieren – wieder ohne den erhofften Markterfolg.
Mit einer kombinierten Sonderausstellung im Audi-Forum Neckarsulm und im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum Neckarsulm werden noch bis zum 5. Mai 2024 150 Jahre NSU gefeiert. (aum)
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Audi
NSU bringt den ersten Wankel auf die Straße
Zu bestauenen erstmals auf der IAA 1963 in Frankfurt
Veröffentlicht am: 18.10.2023
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