„Der  ‚Große Mercedes‘ 600 – Das exklusive Fahrzeug der großen  Repräsentation.“ Mit dieser Überschrift verkündete die Presseabteilung  in Stuttgart 1963 die Premiere des Mercedes-Benz 600. Das Fahrzeug mit  der internen Baureihenbezeichnung W 100 spielte ganz weit vorne in der  weltweiten Spitzengruppe der Autobranche mit. 
„Mercedes-Benz  knüpft an die Vorkriegstradition des Hauses an, mit einem luxuriös  ausgestatteten und in höchstem Masse fahrsicheren Automobil in der  kleinen Gruppe der aufsehenerregenden Repräsentationswagen der Welt  vertreten zu sein“, hieß es in der Pressemitteilung vor 60 Jahren  weiter.
17 Jahre lang blieb das Modell in Produktion. Seine  Käufer kamen aus der ganzen Welt. Zu ihnen zählen gekrönte Häupter,  Staatsoberhäupter sowie Persönlichkeiten aus Wirtschaft und  Showgeschäft. Produziert wurden die Fahrzeuge der Baureihe W 100 in der  Sindelfinger Manufaktur. Mercedes-Benz setzt dabei individuelle und  außergewöhnliche Kundenwünsche um, sofern sie nicht den Grundcharakter  des Automobils veränderten oder auf Kosten der Sicherheit gehen. So  erhielt jeder der 2677 gebauten Mercedes-Benz 600, 487 davon als  verlängerte Pullman-Ausführung, den Charakter eines Unikats.
Produziert  wurde der Mercedes-Benz 600 ab September 1964. Von Anfang an wurden die  Limousine mit normalem Radstand von 3,20 Metern und die  Pullman-Limousine mit 3,90 Metern angeboten. Von beiden gab es ab 1965  Sonderschutzausführungen. Später kamen die noch exklusiveren  Karosserievarianten Pullman-Landaulet und Pullman-Limousine mit sechs  Türen hinzu. Die meisten Mercedes-Benz 600 wurden mit 743 Stück in die  USA geliefert. Es folgten Deutschland mit 589, Frankreich mit 151 und  Großbritannien mit 126 Fahrzeugen. Zwei Sonderanfertigungen sind ein  Landaulet mit langem Radstand für Papst Paul VI. sowie ein Landaulet mit  kurzem Radstand für den Grafen Berckheim. Ein Einzelstück blieb auch  ein 1965 in Sindelfingen gebautes, zweitüriges Coupé. Es diente dazu,  das Potenzial eines großen Coupés als Nachfolger des 300 Sc (W 188 II)  zu prüfen.
1964 kostete die Limousine 56.500 D-Mark und der  Pullman 63.500 DM. Zum Vergleich: Die noble Oberklasse-Limousine  Mercedes-Benz 300 SE lang (W 112) mit Automatikgetriebe kostete 27.800  DM. 1979 stand der Mercedes-Benz 600 zum letzten Mal offiziell auf der  Preisliste – für 144.368 D-Mark. Für die Pullman-Limousine wurden  165.760 DM aufgerufen, und die sechstürige Ausführung kostete noch  einmal knapp 10.000 Mark mehr. Auch hier zum Vergleich: Die  Hochleistungslimousine Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 (W 116) wurde  seinerzeit für 78.999 D-Mark angeboten.
Die Konzeption des 600  konkretisierte sich acht Jahre vor der Weltpremiere. Mitte 1955 legte  Chefingenieur Fritz Nallinger die Eckdaten der Baugruppe C fest, für die  „zukünftige Gruppe der Groß-Reise- und Repräsentationswagen“. Die  Vorgaben beschrieb Nallinger so: „Er erhält serienmäßig automatisches  Getriebe, servounterstützte Lenkung und servounterstützte Bremsen. Er  ist normal 6-sitzig. Die Konstruktion der Rahmenbodenanlage ist so  gehalten, dass gegebenenfalls durch Radstandsverlängerung auch ein  Fahrzeug mit 3 Sitzreihen geschaffen werden kann.“ Das Design des  Mercedes-Benz 600 entstand unter der Leitung von Friedrich Geiger. Einen  großen Anteil hatte Paul Bracq.
Als  Antrieb war ein V8-Motor vorgesehen, der erste in einem Personenwagen  der Marke. Das erste Exemplar lief Ende 1959 auf dem Prüfstand. Der  Serienmotor mit der Bezeichnung M 100 erhielt schließlich einen Hubraum  von 6,3 Litern und brachte es auf 250 PS (183 kW). Er kam dann auch im  Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 (W 109) zum Einsatz. Der spätere  Vorstandsvorsitzende Werner Breitschwerdt sagte Ende der 1980er-Jahre  rückblickend: „Wir wollten damals ein Auto bauen, das alles das kann,  was möglich war, und es sollte mehr können als alle anderen Autos, und  zwar für den Fahrer und den Beifahrer.“
Um das Optimum beim  Bedienkomfort zu erzielen, verglichen die Ingenieure ein elektrisches  System, entwickelt von Breitschwerdt, mit einem hydraulischen System,  konstruiert von Ernst Fiala. Die Hydraulik gewann. Breitschwerdt: „Man  hätte damals die vielen Funktionen, die wir machen wollten, mit der  Elektrik nicht untergebracht. Das war ein Platz- und Gewichtsproblem,  weil wir unter anderem eine zweite Batterie benötigt hätten. Die  entwickelte Hochdruckhydraulik hatte mit ihren hohen Drücken den  Vorteil, mit kleinen Elementen auszukommen. Die Hydraulik war eben  kleiner, leiser und leichter als damalige elektrische Systeme.“ Sie kam  bei folgenden Funktionen zum Einsatz: Schließen der Türen  (Komfortschließung), Schiebedachantrieb, Fensterheber, Trennwand- und  Kofferaumbetätigung, Öffnen und Schließen der Heizungs- und  Lüftungsklappen, Sitzverstellung vorn und hinten sowie  Stoßdämpferverstellung und Lösen Feststellbremse.
Pkw-Entwicklungschef  Rudolf Uhlenhaut setzte drei Schwerpunkte für das Auto der Extraklasse:  höchsten Fahrgastkomfort, höchste Sicherheit und hervorragende  Fahrleistungen. Die Luftfederung in Verbindung mit anderen  Fahrwerkskomponenten wurde damals geradezu euphorisch beurteilt.  Besondere Sorgfalt widmeten die Ingenieure der Bremsanlage mit  Zweikreis-Scheibenbremsen vorne wie hinten. Die Diagonalreifen von Fulda  und Continental der Größe 9,00 x 15 wurden eigens für die  Repräsentationslimousine konstruiert.
Erstaunlich  gut für den kantig daherkommenden 600 war der cw-Wert von 0,458. Damit  unterbot er den Mercedes-Benz 230 SL „Pagode“ (W 113) und den Typ 190 SL  (W 121), jeweils mit Hardtop. Der Mercedes 600 beschleunigte in 9,7  Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von  205 km/h.
Der Mercedes-Benz 600 war nach Einschätzung vieler  Enthusiasten seinerzeit das beste Auto der Welt, egal ob man selbst  hinter dem Steuer saß oder sich chauffieren ließ. Die Fachpresse war  ebenfalls begeistert. Stellvertretend sei die „Motor Revue“ 3/1965  zitiert: „Es ergibt sich ein Fahrkomfort, der zweifellos ein Optimum des  in der Automobiltechnik bisher Erreichten darstellt.“ Und resümiert:  „Man kann [...] mit dem 600 auf Passstraßen fahren wie mit einem  Sportwagen – ein gut gefahrener Sportwagen hat es dann sehr schwer,  dranzubleiben.“ (aum)
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Mercedes-Benz
Seine Exzellenz 600
„Der ‚Große Mercedes‘ 600 im Rückblick
Veröffentlicht am: 13.04.2023
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