Das Thema Wohnen ist das soziale Thema unserer Zeit. Wie und wo wir wohnen hat Einfluss auf unser Wohlbefinden und prägt unser Verhalten und unsere Identität. Seit jeher haben Künstler*innen und Architekt*innen ihre Vorstellungen einer zukünftigen Architektur zunächst zeichnerisch imaginiert. Architekturzeichnungen vergangener Zeiten sind jedoch nicht nur Mittel der Ideenfindung oder Medium der Dokumentation für die realisierten Bauprojekte.
Als „Auffangorgane des inneren und äußeren Lebens“ (Aby Warburg) geben Sie immer auch Aufschluss über die Haltung der Architekt*innen und den Zeitgeist. Ausgehend von diesem kulturwissenschaftlichen Ansatz nimmt die Kunsthalle Tübingen die Architekturzeichnung als Kunstform der letzten einhundert Jahre in den Blick.
Anhand von Entwürfen sowie ausgewählten Modellen, Skulpturen und Raumkonzepten aus dem 20. Jahrhundert bis heute wird veranschaulicht, wie der gesellschaftliche und technische Wandel neue Wohnkonzepte und Stadtvisionen von Künstler*innen und Architekt*innen beeinflusste. Denn gerade die Architekt*innen der Moderne wie der Gegenwart denken individuelle Wohnwelten und Lebensräume zunehmend auch in sozialen Kontexten und weiten den Blick – raus aus den eigenen vier Wänden in Richtung kollektiver Lebenszusammenhänge im urbanen Umfeld.
"Architekturzeichnungen und -pläne haben ihren ganz eigenen Reiz, weil in ihnen nicht nur die Haltung der Architekt*innen, sondern der Zeitgeist zum Ausdruck kommt. Nicht selten sind sie, mit Ernst Bloch gesprochen, auch Ausdruck einer »Hoffnung nach einer besseren Welt«. Ausgehend von diesem Ansatz haben wir in unserer neuen großen Sommerschau SCHÖNER WOHNEN über 100 Architektur- und Wohnkonzepte der letzten 100 Jahre für Sie zusammengetragen, die im Kontext ihrer Zeit auch neue Lebenskonzepte imaginieren.
Weitere Highlights sind die vor Ort realisierten Projekte, die sich mit den Tübinger Gegebenheiten und Sehnsüchten ihrer Bewohner*innen auseinandersetzen. So lassen uns die Arbeiten von Jan Kamensky, Simone Rueß, Bernd Ribbeck, Heike Weber und Walter Eul die direkte Nachbarschaft und bauliche Umwelt im Wortsinn mit neuen Augen sehen. Die Ausstellung und das umfassende Rahmenprogramm mit über 200 Veranstaltungen inspirieren darüber hinaus zu einem vertieften Blick auf Architektur, die eigenen vier Wände und auf uns selbst.“ Nicole Fritz, Direktorin Kunsthalle Tübingen und Kuratorin der Ausstellung (Kuratorische Assistenz: Zita Hartel)
Der Parcours führt von expressionistischen Utopien einer an der Natur orientierten zukünftigen Weltarchitektur über die funktionalistischen und konstruktivistischen Wohn- und Stadtkonzepte der 1920er Jahre und einer Science-Fiction Architektur der 1960er Jahre bis hin zu experimentellen kulturkritischen Anti-Utopien der Nachkriegszeit und der Postmoderne. In der Gegenwart kommt die traditionelle Architekturzeichnung bei der Bauplanung nur noch selten zum Einsatz. Bereits in den 1990er Jahren hat die computergenerierte Illustrierung den von Hand gezeichneten Entwurf abgelöst und die KI-Entwurfs-Technik bietet Künstler*innen und Architekt*innen neue Möglichkeiten. Zum einen wird das Genre der Architekturzeichnung seit einigen Jahren in der Kunst erneut produktiv gemacht, zum anderen entstehen mit der digitalen Transformation auch hybride Entwurfstechniken, die überraschend neue Architekturansichten hervorbringen. Nicht zuletzt stellt das Projekt die Frage, wie ein humanes urbanes Leben der Zukunft aussehen kann und präsentiert studentische Entwürfe, die die Vorstellung von einem `guten´ Wohnen existentiell und zeitgemäß reflektieren.
Als besonderes Highlight der Schau wird eine Kapsel des Nakagin Capsule Towers des Architekten Kishō Kurokawa zu sehen sein. Nach Abriss des ikonischen Wohn- und Bürogebäudes im Jahr 2022 in Tokio wurde für die Kunsthalle als einzige Institution in Deutschland ein Wohnmodul als Dauerleihgabe angekauft. Die Kapsel wird über die Laufzeit der Ausstellung im Skulpturenhof der Kunsthalle aufgestellt und zugänglich gemacht.
mit Aino Aalto, Raimund Abraham, Archigram, Joe Colombo, Coop Himmelb(l)au, Robbie Cornelissen, Wolfgang Döring, Klaus Dyba, Hermann Finsterlin, Walter Gropius, Wenzel Hablik, Haus-Rucker-Co, Arata Isozaki, Helmut Jacoby, Walter Jonas, Jan Kamensky, Jan Kaplický (Future Systems), Bodys Isek Kingelez, Friedrich Kiesler, Engelbert Kremser, Kishō Kurokawa, Fritz Lang, Nils-Ole Lund, Gordon Matta-Clark, Isa Melsheimer, Erich Mendelsohn, Farkas Ferenc Molnár, Verner Panton, Hans Poelzig, Hans Scharoun, Oskar Schlemmer, Ettore Sottsass, Bruno Taut, Theo van Doesburg, Konrad Wachsmann, Stefan Wewerka, Amelie Weyers, Thomas Ravens, Bernd Ribbeck, Simone Rueß, Heike Weber und Walter Eul
Kunsthalle Tübingen
Philosophenweg 76
72076 Tübingen
T: +49(0)7071 9691 -0 / -20
info@kunsthalle-tuebingen.de
kunsthalle-tuebingen.de
Bild: Wenzel Hablik Freitragende Kuppel mit fünf Bergspitzen als Basis, 1918/23/24 Öl auf Leinwand © Wenzel-Hablik-Museum, Itzehoe
SCHÖNER WOHNEN. ARCHITEKTURVISIONEN VON 1900 BIS HEUTE
Zu betrachten in der Kunsthalle Tübingen
Veröffentlicht am: 06.06.2025
Ausdrucken: Artikel drucken
Lesenzeichen: Lesezeichen speichern
Feedback: Mit uns Kontakt aufnehmen
Twitter: Folge uns auf Twitter
Facebook: Teile diesen Beitrag auf Facebook
Hoch: Hoch zum Seitenanfang