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Ofenfrisch?!

FODMAP – ein schwer verdauliches Missverständnis?



Die Verträglichkeit von Brot steht immer wieder in der Diskussion. Lange ging es dabei vor allem um das enthaltene Klebereiweiß Gluten. Eine nachweisbare Unverträglichkeit gegen Gluten, also eine Zöliakie, liegt aber nur bei einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung vor, in Deutschland bei gerade einmal einem Prozent.


Und auch eine Allergie gegen Weizen ist sehr selten, man geht von etwa 0,1 Prozent aller Europäer aus (1). Laut der Deutschen Zöliakie Gesellschaft (DZG) sind es aber bis zu sechs Prozent, die nach eigenen Angaben trotz nicht vorhandener Zöliakie oder Weizenallergie Gluten beziehungsweise Weizen nicht gut vertragen (2). Wie kann das sein?

Als Begriffe für das Krankheitsbild haben sich Glutensensitivität, Weizensensitivität oder Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität etabliert. Was nichts anderes bedeutet als: Man weiß, was es nicht ist – also Zöliakie oder Weizenallergie – aber man weiß nicht genau, was es stattdessen ist. Inzwischen gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Einer davon fasst sogenannte FODMAP ins Auge. Was hat es damit auf sich? Sind FODMAP ungesund? Und: Was hat Brot damit zu tun?

Was hat es mit FODMAP auf sich?

FODMAP steht für fermentable oligosaccharides, disaccharides, monosaccharides, and polyols. Gemeint sind verschiedene Arten von Kohlenhydraten und Zuckeralkoholen, darunter Fructose, Lactose, Mannit, Sorbit und Fructane. Was hier so kompliziert und für den Laien unverständlich klingt, beschreibt im Grunde „die üblichen Verdächtigen“, wenn es um Verdauungsprobleme geht. Gegen Fructose (Fruchtzucker) und Lactose (Milchzucker) bestehen weltweit die häufigsten Unverträglichkeiten, Mannit und Sorbit können in höheren Mengen zu Magen-Darm-Beschwerden (u. a. Durchfall) führen, und bei Fructanen handelt es sich um eine Form von Ballaststoffen. Dass Ballaststoffe nicht gerade zu den leicht verdaulichen Nährstoffen gehören, sagt ja schon der Name.

Sind FODMAP ungesund?

Nein, FODMAP sind nicht ungesund, sie stecken in vielen gesunden Lebensmitteln, wie Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Getreide. Wer hier ohne Not seine Lebensmittelauswahl einschränkt, tut sich nichts Gutes.

Es gibt Hinweise darauf, dass Menschen, die unter einem Reizdarmsyndrom leiden, von einer FODMAP-armen Ernährung profitieren könnten (3, 4). Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist eine Darmerkrankung, die Verdauungsbeschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung und/oder Durchfall hervorruft, deren genaue Ursachen aber unklar sind. Da bei einer FODMAP-armen Diät nur sehr wenig Gemüse und Obst erlaubt sind, raten Ernährungsinstitutionen eindringlich davon ab, sie über einen längeren Zeitraum und ohne fachliche Unterstützung durchzuführen. (5, 6) Das FODMAP-Konzept ist zudem nicht unumstritten und die Überlegenheit gegenüber einer herkömmlichen Ernährungstherapie bei Reizdarm nicht hinreichend belegt (6, 7).

Was haben FODMAP mit Brot zu tun?

Kurz gesagt: nicht viel. Zumindest lässt eine Untersuchung der Universität Hohenheim aus dem Jahr 2020 Zweifel daran entstehen, ob FODMAP wirklich für Verdauungsbeschwerden nach dem Verzehr von Brot verantwortlich gemacht werden können (8). Auch, dass eine besonders lange Gehzeit des Teiges den FODMAP-Gehalt reduziert, konnte hier nicht bestätigt werden. Dass liegt daran, dass bei langen Gehzeiten die Hefemenge reduziert und der Teig gekühlt werden muss. Dieser Umstand wurde in vorigen Untersuchungen häufig nicht berücksichtigt (9).

Weniger Hefe und niedrige Temperaturen bremsen aber auch den weiteren Abbau von FODMAP. „Bei Hefemengen weit über zwei Prozent und Teigruhezeiten im Gärschrank von zahlreichen Stunden sind sicherlich die FODMAP-Gehalte reduziert, aber das Herstellen von schönem Brot und Brötchen kaum noch möglich“, heißt es in der Einleitung der Untersuchung aus Hohenheim.

Die Forscher rund um Prof. Dr. Longin führten ihre Untersuchung daher gezielt mit üblichen und praxiserprobten Rezepten aus dem Bäckeralltag durch. Das Ergebnis: Die FODMAP-Gehalte der Brote mit kurzer und langer Gehzeit unterschieden sich kaum. Im Durchschnitt lagen sie bei unter 0,22 Gramm pro 100 Gramm Frischgewicht (dies entspricht 2 bis 3 Scheiben Brot). Somit wären die Brote sogar als FODMAP-arme Lebensmittel einzuordnen.

Eine längere Teigführung hätte zwar theoretisch das Potenzial, FODMAP noch weiter abzubauen, so die Forscher, dies sollte aber nicht pauschal beworben werden, ohne dass der genaue Herstellungsprozess betrachtet wird.

Zudem stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Bestrebens, wenn FODMAP a) bei der Herstellung von Brot, wie sie in Deutschland üblich ist, bereits erheblich reduziert werden und b) es eigentlich gar keinen Grund gibt, FODMAP noch weiter abzubauen. Hinzu kommt: Ganz unabhängig von FODMAP-Gehalten setzen viele inzwischen schon auf Langzeitführungen, da durch die längere Gehzeit auch mehr Aromen freigesetzt werden. Und im großtechnischen Maßstab funktioniert die Langzeitführung oft besser, weil sich Parameter, Lagerkapazitäten, Transportbehältnisse, Fermenter etc. besser steuern lassen.

Es ist kompliziert

Zur Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität besteht weiterer Forschungsbedarf, FODMAP scheinen als Verursacher zumindest nach den Hohenheimer Studienergebnissen zweifelhaft. Was der Fall FODMAP ein weiteres Mal zeigt: Ernährung ist und bleibt auch immer eine individuelle Frage, ganz besonders, wenn es um die Verdauung geht. Doch nicht selten verschwimmen mögliche Ursachen für spezifische Erkrankungen zu vermeintlich allgemeingültigen Wahrheiten. Lebensmittel wie Brot, Rohstoffe wie Weizen oder einzelne Inhaltsstoffe wie eben FODMAP werden bei vielen unterbewusst im Hinterkopf als schädlich abgespeichert. Dabei ist Brot für den überwiegenden Teil der Bevölkerung ein gutes und gesundes Lebensmittel, Weizen ein ganz zentraler Rohstoff für die Ernährung der Weltbevölkerung und FODMAP ganz sicher nichts, was ein gesunder Mensch meiden sollte.

Quellen:
(1) https://www.ecarf.org/info-portal/allergien/weizenallergie/
(2) https://www.dzg-online.de/krankheitsbild.312.0.html
(3) Staudacher HM, Lomer MC, Anderson JL et al. (2013): Fermentable carbohydrate restriction reduces luminal bifi dobacteria and gastrointestinal symptoms in patients with irritable bowel syndrome. J Nutr 142: 1510–1518
(4) Halmos EP, Power VA, Shepherd SJ, Gibson PR, Muir JG (2014): A diet low in FODMAPs reduces
symptoms of irritable bowel syndrome. Gastroenterology 146: 67–75.e5
(5) Watzinger C; Dittric, K (2015): Was sind FODMAPs? UGBforum 6/15, S. 304
(6) Hauner H et al. (2019): Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKuP), Aktuelle Ernährungsmedizin 2019; 44: 384–419
(7) Reese I, Schäfer C (2015). Low-FODMAP-Diät – Ein Hype um nichts? In: Ernährungsumschau 15 (9). S. 541-545
(8) Longin F; Beck H; Gütler A u. H; Heilig W; Bischoff S; Zimmermann J (2020):  FODMAP-Gehalte im Brot sind gering und können durch Rohstoffauswahl und Teigführung weiter reduziert werden
(9) u.a. Ziegler, JU, Steiner D, Longin F, Würschum T, Schweiggert R, and Carle R (2016): Wheat and the irritable bowel syndrome – FODMAP levels of modern and ancient species and their retention during bread baking. Journal of Functional Foods 25: 257-266


Foto: Pixabay

 


Veröffentlicht am: 25.10.2021

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