Scotch galt einigen früher als eines der männlichsten Getränke überhaupt. Doch auch immer mehr Frauen begeistern sich für das „Wasser des Lebens“. Zum kleinen aber wachsenden Kreis der weiblichen Master Blender zählt Dr. Rachel Barrie von der GlenDronach Distillery.
Was der Weihnachtsmann mit ihrer Liebe zum Whisky zu tun hat und warum sie sich nicht als „Fabelwesen“ sieht, erzählt Dr. Rachel Barrie im Interview.
Sie sind seit 2017 Master Blenderin von The GlenDronach. War das schon als Kind Ihr Traumjob?
Dr. Rachel Barrie:
Ich hatte früher keinen richtigen Traumjob wie Polizistin oder Tierärztin. Ich fand es schon immer spannend, verschiedene Dinge auszuprobieren und so meine tatsächliche Leidenschaft zu entdecken.
Schließlich entschied ich mich für ein Chemie-Studium und stolperte nach meinem Abschluss eher zufällig über eine Stelle beim Scotch Whisky Research Institute. Weil ich mich schon damals für Single Malts begeisterte, war ich überglücklich, den Job bekommen zu haben. Heute kann ich definitiv sagen, meinen Traumjob gefunden zu haben.
Woher kommt Ihre Leidenschaft für Scotch?
Dr. Rachel Barrie:
Ein wenig liegt sie mir wohl im Blut – in meiner Heimat um Aberdeen gibt es eine reiche Scotch-Tradition. Das war also schon immer irgendwie präsent. Mein persönliches Schlüsselerlebnis war Weihnachten 1976: Ich stellte für den Weihnachtsmann ein Glas Scotch auf den Tisch und probierte einen Tropfen. Etwas so Charaktervolles und Warmes hatte ich noch nie zuvor geschmeckt!
Einige Jahre später begann ich, mich durch die Single-Malt-Sammlung meines Vaters zu probieren und entwickelte einen feinen Gaumen für die Nuancen der einzelnen Whiskys. Von da an hatte ich mich in dieses wunderbare Getränk verliebt.
Master Blenderin Dr. Rachel Barrie - die ihr Chemiestudium an der Universität Edinburgh mit Auszeichnung abgeschlossen hat und in die "Whisky Hall of Fame" des Whisky Magazines aufgenommen wurde - kultivierte ihre Liebe zum Single Malt Whisky im Bezirk Gari-och in Aberdeenshire. Nach ihrem Studienabschluss setzte der Ruf der Fässer Rachel auf den ersten Schritt einer 26 Jahre langen Reise in der Whiskyherstellung, die sie nun in ihrem kreativen Element als Master Blenderin sieht. |
Sie sind berühmt für Ihre exquisiten Kompositionen. Ist Ihr Beruf mehr Handwerk oder mehr Talent?
Dr. Rachel Barrie:
Beides bedingt einander. Bei jeder Komposition geht es darum, das ultimative Gleichgewicht von Komplexität und Tiefe, das Zusammenspiel von Geschmack und Charakter zu schaffen. Dafür braucht man die handwerkliche Basis: Man muss die Zutaten und den Herstellungsprozess genau kennen. Nur so kann man sein natürliches Talent für die richtige Komposition voll ausschöpfen.
Sie waren eine der ersten weiblichen Master Blender der Welt. Welchen Rat würden Sie jungen Kolleginnen geben?
Dr. Rachel Barrie:
Das Allerwichtigste ist die Leidenschaft für Scotch. Der Schlüssel zum Erfolg ist eine stetige Neugier und der Austausch mit anderen Menschen aus der Branche. Es gibt jeden Tag Gelegenheiten, von anderen zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Das ist manchmal nicht so einfach. Unsere Branche ist einerseits sehr traditionell, andererseits lebt sie auch von Innovationen. Wer Entschlossenheit und Hartnäckigkeit mitbringt, dem stehen alle Türen offen.
Das Wappentier Schottlands ist das Einhorn. Sehen sie sich als eine von wenigen Frauen in der Scotch-Branche ähnlich besonders?
Dr. Rachel Barrie:
Ich hoffe doch nicht! Das würde ja bedeuten, bei uns wären Frauen quasi Fabelwesen. Ich halte es da lieber mit einer anderen Interpretation: Einhörner gelten auch als visionäre Pioniere. Das trifft auf mich schon eher zu. Meine Vision ist es, den Charakter jedes Scotchs zu verstehen und zu verfeinern. Dafür reise ich auf der Suche nach passenden Fässern um die Welt. Von Kentucky über Bordeaux bis Andalusien, wo die Sherry-Fässer aus spanischer Eiche für unseren The GlenDronach herkommen.
Wie können sich in Zukunft noch mehr Frauen für Whisky begeistern?
Dr. Rachel Barrie:
Ich denke, immer mehr Frauen begeistern sich schon für Whisky. Die Welt des Whiskys hat sich in den letzten Jahrzehnten unglaublich weiterentwickelt und ist heute vielfältiger und integrativer denn je. Ich glaube, wir können die Einstiegshürden weiter reduzieren. Zum Beispiel indem wir das Vokabular übernehmen, das sich für Wein etabliert hat: lieb-lich, trocken, fruchtig, rauchig oder mit Eichen-Noten. So ermöglichen wir es allen Interessierten, sich selbst und ihren Geschmack durch die Welt der Scotchs zu navigieren und für sich das richtige zu finden.